Berlin/Düsseldorf – Die umstrittenen Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Armut sorgen weiter für Diskussionen. Während die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) die Aussagen verteidigte, kamen von der katholischen Kirche, der Nationalen Armutskonferenz und Wohlfahrtsverbänden deutliche Kritik. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick bezeichnete die Äußerungen des CDU-Politikers als „von der Wirklichkeit nicht gedeckt und unüberlegt“. Die Nationale Armutskonferenz und Wohlfahrtsverbände forderten im Kampf gegen Armut eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze.
Mit Blick auf die Diskussion um den vorübergehenden Aufnahmestopp für Ausländer bei der Essener Tafel hatte Spahn erklärt: „Niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe.“ Deutschland habe „eines der besten Sozialsysteme der Welt“. Mit Hartz IV habe „jeder das, was er zum Leben braucht“.
BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter verteidigte Spahns Sicht. In der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ sagte er: „Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf drohende Armut und aktive Armutsverhinderung.“ Armut bekämpfe man nicht, indem man über die Höhe der Regelsätze diskutiere.
Erzbischof Schick verlangte dagegen eine Anhebung der Sozialleistungen: „Hartz IV reicht gerade zum Überleben“, sagte der Geistliche. „Wenn dann zum Beispiel die Waschmaschine in einem Hartz-IV-Haushalt kaputt geht, reicht es schon nicht mehr, von der Rente ganz zu schweigen.“ Das Grundproblem sei, dass in Deutschland zu viele Menschen auf Hartz IV und auf Tafeln angewiesen seien: „Das muss geändert werden.“
Die Nationale Armutskonferenz warf Spahn vor, nicht zu verstehen, was Armut wirklich bedeute. Mit den aktuellen Hartz IV-Regelsätzen würden die Menschen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, sagte Sprecherin Barbara Eschen in Berlin: „Eine alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin hat keine zwei Euro für das Geschenk an den Klassenlehrer übrig.“ Eschen sprach sich dafür aus, die Regelsätze um 70 bis 100 Euro pro Monat anzuheben. Parallel dazu müsse auch der Mindestlohn steigen, damit das Lohn-Abstandsgebot eingehalten werde. Das Gebot garantiert, dass Arbeitende mehr Geld zur Verfügung haben als diejenigen, die Hilfe vom Staat beziehen. „Wenn der Mindestlohn stimmt, braucht man nicht den Hartz IV-Regelsatz zu drücken“, betonte Eschen.
Auch nach Ansicht von Caritas und Diakonie ist eine Aufstockung des Betrags notwendig. Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, betonte, dass Hartz IV Bedürfnisse wie angemessenes Wohnen und gesunde Ernährung „nur unzureichend“ abdecke. Der ehemalige Generalsekretär des Caritasverbandes, Georg Cremer, sagte der Wochenzeitung „Die Zeit“, er halte eine Anhebung um monatlich 80 Euro für sinnvoll, Der bestehende Regelsatz von 416 Euro plus Wohnkosten sei „sehr knapp bemessen“, erklärte Cremer, der Volkswirtschaft an der Universität Freiburg lehrt.
Die aktuelle Regelsatzberechnung nannte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, ein „Gemisch aus statistischer Willkür und finanzieller Nickeligkeit“. Er fordert, den Regelsatz auf 529 Euro pro Monat anzuheben.epd/UK
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Weiter Kritik an Spahn-Aussagen
Kirchenvertreter, Nationale Armutskonferenz und Wohlfahrtsverbände fordern eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze. Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände dagegen