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Weckruf im Advent

Über den Predigttext zum 1. Sonntag im Advent: Römer 13,8-12

Predigttext
8 Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt. 9 Denn was da gesagt ist (2. Mose 20,13-17): „Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren“, und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst (3 .Mose 19,18): „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ 10 Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung. 11 Und das tut, weil ihr die Zeit erkannt habt, dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. 12 Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.

Erster Sonntag im Advent. Und wieder steht die Frage im Raum: Wie bereite ich mich angemessen auf die Ankunft des himmlischen Kindes vor? An den vier Sonntagen werden sehr verschiedene biblische Botschaften zur Sprache kommen. Stimmungsvolle sind dabei, aber auch sperrige und unbequeme, die gern mal glattgebügelt werden.

Die Worte des Apostels Paulus sind kaum geeignet für einen harmonischen Einstieg in den Advent. Herausfordernd sind sie. Paulus konzentriert sich zu Anfang auf die Mitte des christlichen Lebens: Die Liebe zum Nächsten (agape). Diese Liebe, die dem Mitmenschen nichts Böses will, legt er der Gemeinde ans Herz. Agape ist die Bündelung, ja mehr noch, die Krönung aller Gebote. Alles Ringen um die Erfüllung des Gesetzes kommt in ihr zur Vollendung. Der Kirchenvater Augustin bringt es so auf den Punkt: „Liebe – und tu was du willst!“

Kein harmonischer Einstieg in den Advent

Diese Liebe ist aber keine Erfindung des Menschen. Sie hat ihren Ursprung in Gott. Mit der Geburt Jesu Christi und durch sein Leben, Sterben und Auferstehen wird sie anschaulich und erfahrbar. Diese Liebe sucht Nachahmer und Nachfolgerinnen. Sie will zu einem neuen Lebensstil anstiften. Wenn Menschen beginnen, in Jesu Fußspuren zu gehen, dann kann aus Weihnachten tatsächlich ein Fest der Liebe werden.

Doch plötzlich nehmen die Worte des Apostels eine ganz andere Richtung. Er überrascht mit einem Weckruf: „Steht auf“, ruft er zu. „Die Stunde ist da!“ Gemeint ist nicht das Aufstehen nach dem Schlaf. Es geht hier ums Ganze: Um das Heil (auch Rettung). Eine große Veränderung liegt in der Luft: Der zweite, der andere Advent kündigt sich an, das Wiederkommen des Christus am Ende der Tage.

Vom Ende der Welt zu reden mag viele erschrecken. Von manchen Kanzeln hört man wenig dazu. Vielleicht weil lange Missbrauch mit der Predigt vom Ende betrieben wurde. Zeitgenossen äußern sich dafür umso klarer. Immer offener wird in diesen Tagen die Befürchtung ausgesprochen: Diese Welt geht auf apokalyptische Zeiten zu.

Für Christenmenschen gilt jedoch etwas anderes: „Furcht ist nicht in der Liebe, die wahre Liebe treibt die Furcht aus“ (1. Johannes 4,18). So leben sie gegen alle Untergangsstimmungen an und sprechen ein deutliches „Fürchtet euch nicht!“. Auch das gehört zum Advent.

Noch sind wir unterwegs. Paulus versucht dieses Zugehen auf Gottes Ewigkeit in dem Bild der Morgendämmerung, der Spanne zwischen Nacht und Tag, zu beschreiben. Dazu müssen Christen Nachtflüchter werden, sagt Paulus. Sie lösen sich aus der Umklammerung der Finsternis und lassen allen Ballast des alten Lebens hinter sich. Ihre Augen wenden sich hoffnungsvoll dem aufgehenden Licht zu. Ein neuer Tag, anbrechendes Licht, Sonne – all das sind Bilder für den Einen, der kam und im Kommen ist.

Dieser Weg vom Dunkel ins Licht ist kein Spaziergang. Es kann Zeiten von Mutlosigkeit, Anfeindung oder auch Zweifel geben. Sind Christen dem schutzlos ausgeliefert? Paulus rät dazu, die „Waffen des Lichts“ anzulegen. Es sind Waffen der ganz anderen Art: Ein „Panzer des Glaubens und der Liebe“ sowie ein „Helm der Hoffnung auf das Heil“ (1. Thessalonicher 5,8). In ihnen liegt die Kraft, sich den Anfechtungen und Herausforderungen zu stellen.

Ob die Fernsehmoderatorin Nina Ruge diese Hoffnung meinte? Ihre Sendung „Leute heute“ beschloss sie stets mit dem markanten Satz „Alles wird gut!“. Woher nur nimmt sie diese unerschütterliche Hoffnung, fragte ich mich damals. Mir wurde mit der Zeit deutlich: Sie hat recht. Nur mit dieser Hoffnung lebe ich gut, überlebe ich. Der Heiland, dessen Kommen wir feiern, wird’s wohl machen. Dies möchte ich in mir wachhalten. Amen.