Wenn am ersten Weihnachtstag die Geschenke verteilt sind und der Truthahn im Kreise der Familie verspeist, dann ist es Zeit, den Fernseher für die Ansprache des Königs einzuschalten.
König Charles III. hat ein extrem unerfreuliches Jahr hinter sich gebracht. Erst musste er sich an der Prostata operieren lassen, dann stellte sich heraus, dass er an Krebs leidet und sich deswegen behandeln lassen muss. Kurz danach machte auch Catherine, die Prinzessin von Wales, öffentlich, sie sei ebenfalls an Krebs erkrankt. Zwei wichtige Player der Familie Nr. 1 des Königreichs erlebten also genau das, was viele Menschen am meisten fürchten.
Wird der König darauf in seiner Weihnachtsansprache am 25. Dezember eingehen? Bislang war es mehr oder weniger ein Tabu für die Royals, ihre Krankheiten öffentlich zu thematisieren. Doch das ist seit diesem Jahr vorbei. Lange Zeit galt das auch für den persönlichen Glauben des Monarchen. Offen darüber zu sprechen, was einem der Glaube bedeutet, ist ein vergleichsweise junger Trend in der über 90-jährigen Tradition der königlichen Weihnachtsansprachen.
Obwohl Königin Elizabeth II. nie einen Hehl daraus machte, dass ihr persönlicher Glaube ihr Kraft für ihr Leben und ihre Aufgaben als Monarchin gab, begann sie erst mit der Jahrhundertwende, dies auch zum Thema ihrer Weihnachtsansprachen zu machen. Es wurde von Beobachtern als bemerkenswert verzeichnet, dass die Queen immer häufiger von ihrem Glauben sprach, während in Großbritannien das Christentum auf dem Rückzug war. Viele Menschen haben dort, wie auch in Deutschland, mittlerweile keinen Glauben mehr.
König Charles hat sich direkt nach seiner Amtsübernahme in einem Gespräch mit Vertretern der verschiedenen Glaubensgemeinschaften zu seinem anglikanischen Glauben bekannt. Er ist wie alle Monarchen seit Mitte des 16. Jahrhunderts weltliches Oberhaupt der Kirche von England und trägt wie seine Vorgänger den Ehrentitel “Verteidiger des Glaubens”. Dieser bezieht sich in der Lesart der Monarchie auf den eigenen Glauben, wird aber vom König zunehmend breiter interpretiert.
Bereits in den langen Jahrzehnten vor seiner Amtsübernahme 2022 hat Charles als Thronfolger tiefe Verbindungen in die verschiedenen Glaubensgemeinschaften des Königreichs aufgebaut. Er sorgte dafür, dass Vertreter der Religionen bei seiner Krönung deutlich sichtbar waren – ein Novum in der Geschichte. In seinen beiden bisherigen Weihnachtsansprachen hat er sich, was die Glaubensgemeinschaften betrifft, deutlich breiter aufgestellt als seine Mutter. Er würdigte jeweils den Beitrag aller Religionsgemeinschaften für den Zusammenhalt im Land.
Die Idee zu der Weihnachtsansprache geht zurück auf John Reith, den Gründungsdirektor der BBC. Er sprach 1922 König George V. an, der jedoch die Idee ablehnte, weil er das Radio mit leichter Unterhaltung gleichsetzte und daher nicht als geeignetes Medium betrachtete. Zehn Jahre später zeigte er sich dann offen für eine Weihnachtsansprache, die erstmals 1932 am Ersten Weihnachtstag übertragen wurde. Autor der Ansprache war Rudyard Kipling (1865-1936), dessen bekanntestes Werk das “Dschungelbuch” ist.
Sein Sohn George VI. setzte die Tradition fort. Aus dem Film “The King’s Speech” weiß man, dass Weihnachten für den König erst begann, wenn er seine Ansprache gehalten hatte. Weil er stotterte, war die Live-Übertragung im Radio für ihn eine große Herausforderung.
Die Queen hielt in jedem Jahr ihrer langen Regierungszeit eine Weihnachtsansprache. Ihre erste im Jahr 1952, in der sie über ihre Krönung im kommenden Jahr berichtete. 1957 wurde die Weihnachtsansprache zum ersten Mal im Fernsehen übertragen. Ab 1960 wurde sie einige Tage vorher aufgezeichnet, damit sie rechtzeitig in die verschiedenen Länder des Commonwealth gebracht werden konnte.
Mittlerweile ist die Weihnachtsansprache nicht nur im Fernsehen zu sehen, denn die Presseabteilung des Königs spielt sie auch in alle vorhandenen Social Media-Kanäle ein.
Nach der Weihnachtsansprache des Monarchen beginnt die britische Presse damit, diese auf Symbole, Anspielungen oder irgendwelche versteckten Nachrichten zu untersuchen. Ganz genau beobachtet wird auch, welche Bilder der Familie zu sehen sind. Wer ist in, wer ist out? Welche Signale will der König geben, welche Akzente setzen? Die vrstorbene Königin Elizabeth II. wählte bekanntermaßen die Farbe ihres Kleides und ihre Broschen ganz bewusst aus. Diese Möglichkeit steht dem König nicht offen. Allerdings lohnt gelegentlich der Blick auf seine Krawatten.