Artikel teilen:

Was uns unsere Kinder wert sind

Christliche Kitas legen häufig eine Grundlage in Glaubensdingen. Aber sie können noch mehr: Gute Kitas können Lücken im Sozialverhalten ausgleichen, wie eine Studie kürzlich zeigte. Aber für gute Arbeit braucht es Geld – und das fehlt überall

kristall - stock.adobe.com

Gute Kitas können einer Studie zufolge Lücken im Sozialverhalten von Vier- bis Fünfjährigen ausgleichen. „Die Qualität von Kindertageseinrichtungen ist zentral für die frühkindliche Entwicklung“, sagte Georg Camehl, Bildungsexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), in Berlin. „Kitas mit einer hohen Qualität können zudem herkunftsbedingte Unterschiede ein Stück weit ausgleichen.“ Qualitätsmindeststandards sollten deshalb bundesweit geregelt, angepasst und geprüft werden, forderte das Institut.
Die Qualität einer Kindertageseinrichtung werde von der Gruppengröße, dem Personalschlüssel, Gemeinschaftsaktivitäten, der Bildung des pädagogischen Personals und den zur Verfügung stehenden Materialien zum Spielen und Lernen geprägt. Allerdings sei auch die Zusammensetzung der Kita-Gruppe wichtig. „Leider herrscht in Deutschland eine gewisse Segregation“, kritisierten die Bildungsforscher.
Kinder ausländischer Herkunft fänden sich oft in Kitas wieder, in denen die meisten anderen Kinder auch eine andere Familiensprache haben als Deutsch. „Das kann im Hinblick auf den Erwerb der deutschen Sprache und auf die Integration in die Gesellschaft nicht sehr förderlich sein.“ Das DIW sprach sich dafür aus, die Zusammensetzung der Kita-Gruppen durch gezielte Regelungen zu beeinflussen.
Im vergangenen Jahr besuchten fast 33 Prozent der Kinder unter drei Jahren eine Kita. Im Alter von drei bis sechs Jahren waren es mit rund 94 Prozent fast alle Kinder. Für die Untersuchung zum Sozialverhalten werteten die Wissenschaftler Daten von rund 1700 Kindern aus knapp 200 deutschen Kitas aus. Grundlage waren Befragungen zum Nationalen Bildungspanel, wobei die Eltern angeben sollten, ob sich ihr Kind rücksichtsvoll verhält, lieb zu jüngeren Kindern ist, mit anderen teilt und anderen hilft.
Für solch eine qualifizierte Betreuung der Kleinsten braucht es gut ausgebildetes und motiviertes Personal. Aber hier herrscht Mangel, wie der Vorsitzende der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder, Carsten Schlepper, kürzlich beklagte. Er forderte mehr Investitionen in die Ausbildung von Fachkräften in den Kindertagesstätten. Die Kindertagesbetreuung stecke in einem Dilemma, schrieb Schlepper in einem Gastbeitrag im Bremer „Weser-Kurier“. Für die nötigen qualitativen Verbesserungen brauche es mehr Fachkräfte: „Die aber sind zurzeit bundesweit Mangelware.“
In den vergangenen Jahren sei vielerorts versäumt worden, die Ausbildung an den steigenden Bedarf anzupassen, so Schlepper. Dabei gehe es auch um die Gestaltung einer attraktiven Ausbildung. „Die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern ist eines der letzten Berufsfelder, in dem keine Ausbildungsvergütung gezahlt wird“, kritisierte der Experte.
Die angestrebte Beteiligung des Bundes zur finanziellen Unterstützung der Länder könnte zumindest dabei Abhilfe schaffen: „Es muss mehr investiert werden in eine attraktive Ausbildung nahe an der Praxis und verbunden mit einem Ausbildungsgeld“, forderte der Experte.
Immer mehr Familien nähmen das Bildungsangebot der Kindertagesbetreuung in Anspruch, unterstrich Schlepper. „Viele Kinder sind mehr Jahre im Kindergarten als danach in der Grundschule.“ Die Erwartungen an die inhaltliche Arbeit in der Kindertagesbetreuung seien hoch. Der Bund müsse sich nachhaltig an der Finanzierung beteiligen.
In nordrhein-westfälischen Kindertageseinrichtungen hat etwa jedes dritte Kind unter sechs Jahren mindestens einen Elternteil, der nicht in Deutschland geboren wurde. Bei jedem vierten Kita-Kind wird zu Hause überwiegend eine andere Sprache als Deutsch gesprochen, wie das statistische Landesamt in Düsseldorf mitteilte.
Die Statistiker beziehen sich auf Zahlen von März 2017. Demnach stammten von den 562 924 Kindern in einer Kita 178 659 aus einer Zuwandererfamilie, bei 140 730 Kindern wurde zu Hause selten Deutsch gesprochen.
Vor allem in Städten wie Gelsenkirchen und Duisburg lag der Anteil von betreuten Kindern mit Migrationshintergrund mit 51,6 Prozent beziehungsweise 47,7 Prozent besonders hoch. Etwa jedes zweite Kind hat dort mindestens einen zugewanderten Elternteil. Bielefeld und Remscheid folgten hier mit 44,1 beziehungsweise 43,9 Prozent. Die niedrigsten Quoten ermittelten die Statistiker für den Kreis Coesfeld (7,4 Prozent) und den Hochsauerlandkreis (16,6).  epd