Der Religionssoziologe Detlef Pollack bewertet den Umgang der großen christlichen Kirchen mit der Corona-Pandemie insgesamt positiv. „Ich finde, dass die Kirchen in der Zeit der Krise einen ziemlich guten Job gemacht haben, als sie davon Abstand genommen haben, die Krise theologisch umfassend zu deuten“, sagte der Wissenschaftler der Universität Münster dem Kölner Bistumssender domradio.de. Sie hätten nicht versucht, die Pandemie auf irgendwelches sündiges Verhalten zurückzuführen. Zwar habe es solche Strömungen gegeben, zum Beispiel in der griechisch-orthodoxen Kirche, „aber nicht bei uns“.
Dies dürfte den Kirchen gut bekommen sein, sagte der Wissenschaftler. „Weil sie auf diese Weise nicht den Anspruch erhoben haben, der globale universelle Deuter dieser Krise zu sein.“ Kirchen hätten aber „im Kleinen“ viel getan, etwa was Seelsorge angehe oder das Engagement von Caritas und Diakonie. „Sie war bei den Menschen, die betroffen waren.“
Kein Verstärker des Glaubens
Pollack, der an der Uni Münster im Exzellenzcluster Religion und Politik lehrt, sieht Krisen wie die Corona-Pandemie nicht als automatischen Verstärker des persönlichen Glaubens. „Not lehrt nicht unbedingt beten“, sagte er. Das zeige sich deutlich bei Konfessionslosen. Die beteten nicht mehr. „Die Bedingung dafür, dass man mehr betet, ist, dass man schon religiös ist.“
In einer Umfrage zu „Religion und gesellschaftlichem Zusammenhalt in Zeiten der Corona-Pandemie“, von der Anfang 2021 erste Ergebnisse vorgelegt wurden, habe er mit seiner Kollegin Carolin Hillenbrand herausgefunden, dass knapp ein Drittel von sich sagten, dass sie während der Pandemie mehr beteten als vor der Pandemie. Manche Menschen hätten also durchaus diese Krise religiös verarbeitet, sagte Pollack.
Der Religionssoziologe beobachtet durch Corona vor allem eine Zäsur bei persönlichen Kontakten und Besuchen von Veranstaltungen. Viele Menschen kehrten nicht in die Kirchen zurück, sagte er. Sie hätten sich daran gewöhnt, wie auch bei Theater und Konzertsälen, dass man gar nicht zur Kirche gehen müsse, sondern Online-Angebote und Streamingdienste wahrnehmen könne. „Daher ist die große Frage, ob sie wieder zurückkehren.“