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Wann ist ein Mensch ein Mensch?

Kirche tat sich lang schwer mit Menschenrechten in Lateinamerika

Collection Dupondt / akg-images

Wann ist ein Mensch ein Mensch? Diese Frage beschäftigt die westliche Welt aktuell meist unter dem bioethischen Gesichtspunkt von künstlicher Befruchtung, Klontechniken und Abtreibungsgesetzen. Und es sind nicht zuletzt die Päpste des 20. und 21. Jahrhunderts, die den Schutz des Lebens in den Mittelpunkt vieler ihrer Ansprachen und Dokumente gestellt haben.

Als im Juni 1537 Papst Paul III. (1534-1549) das Wort ergriff, war der Fokus ein anderer. Der Farnese-Papst, der ansonsten vor allem als Kunstmäzen in die Geschichte eingegangen ist, verbot in seiner Bulle „Sublimis Deus“ jede Form von Sklaverei. Er schlug damit einen wichtigen Pflock ein, den der Kirchenhistoriker Hans-Jürgen Prien als eine „Magna Charta des Völkerrechts“ bezeichnet hat.
Die Entdeckung der „Neuen Welt“ durch Christoph Columbus 1492, ihre Eroberung und die Unterwerfung ihrer Ureinwohner gingen einher mit Praktiken, die heute als schwerste Menschenrechtsverletzungen gewertet werden. Die spanische und die portugiesische Krone wollten schnelles Gold, und auch die adligen Kolonialherren und westlichen Abenteurer wünschten sich möglichst rasch zu bereichern, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Was lag da näher als Zwangsarbeit und Versklavung der indigenen Bevölkerung, die man qua technischer Überlegenheit eh als minderwertig anzusehen bereit war.
Auch theologisch ließ sich für diese vermeintliche Minderwertigkeit argumentieren. Die angebliche „Faulheit“, die den Einheimischen als Topos zeitgenössischer Quellen attestiert wird, galt in der mittelalterlichen Scholastik nicht nur als ein Fehlen der Tugend des Fleißes, sondern als eine schwere Sünde.
Zwar entstammte eine solche Sichtweise weniger der Bibel als vielmehr der Tradition spätantiker mönchischer Askese. Doch ließen sich damit Freiheitsentzug und Zwangsarbeit trefflich christlich bemänteln: Der Indio als „sprechendes Tier“ wurde durch den Christenmenschen zivilisiert und also zum Besseren geführt. Nebenbei war es so möglich, in kürzester Zeit ein funktionierendes Handelssystem mit maximalen Gewinnen und gutem Gewissen zugleich zu etablieren.
Zwar stand „die Kirche“ – und was anderes waren jene Christen, die dort an vorderer Front agierten? – allzu oft aufseiten der Unterdrücker. Und es gab auch noch in späteren Jahrhunderten südlich des Äquators Bischöfe und Klöster, die sich selbst Sklaven hielten. Doch gab es auch bereits zu Beginn der christlichen „Mission“ in Lateinamerika wichtige Stimmen, die sich vehement gegen die zivilisatorische Hybris stemmten und der christlichen Mission ein menschliches Gesicht zu geben versuchten. Der wohl bekannteste ist der Dominikaner Bartolomé de Las Casas (1484/85-1566), erster Bischof von Chiapas, dessen 450. Todestag dieser Tage begangen wird.
Ein wichtiger Meilenstein dieses frühen kirchlichen Einsatzes für die Menschenrechte ist die Bulle „Sublimis Deus“, die später auch zur zumindest offiziellen Position am spanischen Kaiserhof wurde. Paul III. besteht darin auf der Freiheit der „Indianer“ und erklärt alle Versklavung für ungesetzlich. Wie alle Völker der Erde seien die Indios „wirkliche Menschen“. Und als solchen dürfe man ihnen nicht Freiheit und Besitz rauben. Infolge ihrer Freiheit vor Gott und dem Gesetz stand den Ureinwohnern auch das Recht zu, sich taufen zu lassen. Das Dokument hielt ferner Missionare an, die Bevölkerung der Neuen Welt durch Verkündigung und gutes Beispiel zum christlichen Glauben einzuladen.
Den Interessen der Siedler freilich lief eine solche Brüderlichkeit unter den Kindern Gottes zuwider – und fern von Rom war es ihnen ein Leichtes, sie zu unterlaufen und zu diskreditieren. Schwer wog in den folgenden Jahrhunderten auch die immer weiter verbreitete Praxis, anstelle einer Versklavung der Indios zu Hunderttausenden kräftige Sklaven aus Afrika zu importieren und in Amerika zu verheizen – ein Vorgehen, das übrigens 1515 auch noch de Las Casas befürwortete.