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Vor zehn Jahren beteten Nahost-Konfliktparteien für Frieden

Vor zehn Jahren beteten der damalige israelische und der palästinensische Präsident im Vatikan gemeinsam für den Frieden. Die Initiative von Papst Franziskus war ein Hoffnungsschimmer. Er währte nur vier Tage.

Die Szene wirkt heute wie ein naiver Traum: Der israelische und der palästinensische Präsident beten Seite an Seite für den Frieden, umarmen einander und pflanzen gemeinsam einen Olivenbaum. Was seit dem Terrorangriff der Hamas und der Militärreaktion Israels unvorstellbar klingt, war vor zehn Jahren Wirklichkeit. Damals begegneten sich Israels Präsident Schimon Peres und Palästinenserführer Mahmud Abbas für ein Friedensgebet im Vatikan. Eingefädelt hatte die Initiative Papst Franziskus.

Im Mai 2014 war das katholische Kirchenoberhaupt drei Tage nach Jordanien, Israel und in die Palästinensergebiete gereist. Während des Besuchs hätte es eigentlich eine Zeremonie in Jerusalem mit den Hauptkontrahenten des Nahostkonflikts geben sollen. Aus organisatorischen Gründen fand diese allerdings nicht statt. Deshalb sprach Franziskus eine Einladung in den Vatikan aus, der auch der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. folgte.

Unmittelbar vor dem Friedensgebet bemühte sich der Vatikan, die Erwartungen herunter zu kochen. Es handele sich um eine rein religiöse Initiative, um das Treffen dreier Religionen für den Frieden. Die Weltöffentlichkeit nahm dennoch erstaunt zur Kenntnis, was dem damals noch relativ neuen Papst gelungen war. Immerhin hatten sich ein israelischer und ein palästinensischer Staatspräsident schon seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr die Hand gereicht.

Entsprechend groß war die Aufmerksamkeit an jenem 8. Juni 2014. Zuerst begrüßte Papst Franziskus Israels Präsidenten Peres vor dem Gästehaus Santa Marta im Vatikan; kurz darauf Palästinenserführer Abbas. Im Foyer des Gästehauses kam es zu einer ersten Begegnung und einer Umarmung zwischen den beiden Politikern. Gemeinsam fuhren sie in einem weißen Kleinbus die kurze Strecke in die Vatikanischen Gärten.

Dort beteten der Papst, der Patriarch und die beiden Politiker zusammen mit Delegationen ihrer Religionen für den Frieden – Juden, Christen und Muslime nacheinander, aber an einem Ort vereint. In seiner Ansprache forderte Franziskus von beiden Seiten den Mut, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Peres, dessen Amtsperiode kurze Zeit später endete, rief Israelis und Palästinenser zu Kompromissen und Opfern für den Frieden auf. Abbas sprach von einem gerechten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern sowie der Achtung von Freiheit und Menschenwürde in einem “souveränen und unabhängigen Staat” der Palästinenser.

Zum Abschluss umarmten sich die Teilnehmer erneut und pflanzten den Olivenbaum. Im Hintergrund schien die untergehende Sonne auf die mächtige Kuppel des Petersdoms.

Das Gebet rief in vielen Ländern ein positives Echo hervor. In Israel waren die Reaktionen zurückhaltender. Benjamin Netanjahu – damals schon Ministerpräsident – kommentierte das Treffen zunächst mit eisigem Schweigen. Noch wusste niemand, dass der Hoffnungsschimmer, der von der Initiative ausging, bald erloschen sein sollte.

Nur vier Tage später, am 12. Juni, wurden drei israelische Jugendliche im Westjordanland entführt und von Hamas-Mitgliedern ermordet. Eine Spirale der Gewalt kam in Gang. Schließlich startete Israel die Militäroperation “Protective Edge” im Gazastreifen, bei der rund tausend Zivilisten getötet wurden.

Mitte Juli 2014 telefonierte der Papst mit Peres und mit Abbas und forderte ein Ende der Gewalt. Der Konflikt mündete einige Wochen später in eine Jahre lang anhaltende Waffenruhe. Kurz davor zog Franziskus ein überraschendes Resümee: Das Friedensgebet sei trotz allem nicht umsonst gewesen. Es habe ein Tor für den Frieden geöffnet. “Durch den Rauch der Bomben kann man das Tor nicht sehen, aber es ist weiterhin offen”, sagte der Papst.

Zehn Jahre später sind die Bomben zurück, Zehntausende sind diesmal umgekommen. Seit Beginn des aktuellen Gaza-Kriegs wird Franziskus nicht müde, zum Frieden im Heiligen Land aufzurufen. In den vergangenen Monaten stand er wegen seiner Äußerungen aber auch in der Kritik. So wünschten sich Rabbiner aus Israel, dass er die Hamas klarer verurteilt. Eine religiöse Friedens-Initiative wie 2014 scheint in weite Ferne gerückt.