Adenauer, Gauck, Schäuble: Sie sind nicht nur berühmte Politiker, sondern auch Rekordhalter im Bundestag. Längste Sitzung, jüngstes Mitglied, tausende Gesetze – das deutsche Parlament in außergewöhnlichen Zahlen.
Die berühmteste Trägerin von Hosenanzügen ist wohl die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Von 2005 bis 2021 nahm sie in diesen auf der Regierungsbank des Bundestags Platz. Die erste Abgeordnete mit Hosenanzug am Rednerpult war 1970 die SPD-Politikerin Lenelotte von Bothmer. Eine Frau in Hose löste damals einen Skandal aus. In über 4.500 Plenarsitzungen in den vergangenen 75 Jahren war das nicht die einzige kontroverse Situation. Am 7. September 1949 nahm der erste Bundestag in Bonn seine Arbeit auf.
Der Rekord für die längste Bundestagssitzung in der Geschichte wurde schon früh aufgestellt: Vom 24. auf den 25. November 1949 tagten die 410 Mitglieder des Bundestags über 20 Stunden lang. Grund war neben einer vollen Tagesordnung ein Zwischenruf Kurt Schumachers (SPD), der Konrad Adenauer (CDU) als “Bundeskanzler der Alliierten” beleidigte. Fast drei Stunden lang diskutierte der Ältestenrat daraufhin über die Konsequenzen. Die kürzeste Sitzung am 13. März 1974 dauerte hingegen nur eine Minute, weil lediglich eine Personalie abgestimmt wurde. Im Schnitt dauert eine Bundestagssitzung rund sieben Stunden.
Die kürzeste Mitgliedschaft im Parlament kann der spätere Bundespräsident Joachim Gauck (Bündnis 90) für sich verbuchen. Er war vom 3. bis 4. Oktober 1990 Teil des Bundestags. Dann wurde er Leiter der “Gauck-Behörde”, die die Stasi-Akten erforschte. Der erste Abgeordnete, der sein Mandat niederlegte, war nach fünftägiger Mitgliedschaft Theodor Heuss (FDP), weil er am 12. September 1949 zum ersten Bundespräsidenten gewählt wurde.
Der im vergangenen Jahr verstorbene frühere Bundesminister und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) war bis zu seinem Tod über 51 Jahre Mitglied des Bundestags und ist damit Rekordhalter. Die erste Präsidentin des Bundestags Annemarie Renger (SPD) führt mit fast 37 Jahren Mitgliedschaft die Liste der dienstältesten Frauen im Parlament an.
Renger leitete als Frau den männlichsten Bundestag der Geschichte: Nur 30 der 518 Abgeordneten in den Jahren 1972 bis 1976 waren weiblich, weniger als sechs Prozent. Den größten Frauenanteil verzeichnete der Bundestag in der Wahlperiode von 2013 bis 2017 mit 230 von 631 Abgeordneten (37 Prozent). Im aktuellen Bundestag ist rund ein Drittel der Abgeordneten weiblich.
Die jüngste je in den Bundestag gewählte Person war 2002 die 19-jährige Grünen-Abgeordnete Anna Lührmann. Den Altersrekord hält der erste Bundeskanzler Deutschlands: Adenauer war bei seinem Ausscheiden aus dem Parlament 89 Jahre alt.
Rund ein Viertel der Abgeordneten des aktuellen Bundestags sind Christen. 1990 bekannten sich noch über 70 Prozent der gewählten Volksvertreter zum christlichen Glauben.
Heute ist der Bundestag mit 733 Abgeordneten nach dem Nationalen Volkskongress in China das zweitgrößte Parlament der Welt. 75 Jahre Parlamentarismus haben bisher insgesamt 4.363 Abgeordnete hervorgebracht, die in fast 32.000 Stunden Sitzungen das besprachen, was auf rund 386.000 Seiten stenografischer Berichte protokolliert ist. Die Zahl der Reden wird seit 1976 ermittelt; fast 178.000 waren es seitdem. Debattiert wurde dabei über fast 14.000 eingebrachte Gesetze. Rund 9.000 von ihnen wurden verabschiedet.
Das Parlament tagte in vier Plenarsälen: In Bonn war das zunächst der alte Plenarsaal, ab 1986 das Wasserwerk und von 1992 bis 1999 mit kurzer Unterbrechung der neue Plenarsaal. Seit 25 Jahren finden die Sitzungen des Bundestags nun im Reichstagsgebäude in Berlin statt. Der offizielle Umzug erfolgte zum 8. September 1999.
Aus 20 Bundestagswahlen gingen acht Bundeskanzler und eine Bundeskanzlerin hervor. Elf Männer und drei Frauen hatten als Präsident oder Präsidentin des Bundestags das zweithöchste Amt des Staates inne. 15 Jahre stand Eugen Gerstenmaier (CDU) dem Parlament vor, auf Platz 2 folgt Norbert Lammert (CDU) mit 12 Jahren. Die Bundestagspräsidentin mit der längsten Amtszeit ist Rita Süssmuth (CDU), die das Amt von 1988 bis 1998 ausübte – ob im Rock oder Hosenanzug, spielte dabei keine Rolle.