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Von Träumen und Taten

Catering-Schülerinnen bei der Arbeit. Die jungen Frauen machen eine Ausbildung zur Köchin mit anschließendem Praktikum. Foto: Karin Schmauder

Es sind die Begegnungen mit den Menschen in Simbabwe, die Karin Schmauder bewegen. Auch Monate noch nach ihrer Reise in das afrikanische Land. Gogo beispielsweise, eine 67-jährige Frau, die sieben Aids- und Sozialwaisen in ihre runde Hütte aufgenommen hat und mit ihnen dort gemeinsam wohnt. In der Mitte ist die Küche, nebenan steht noch eine kleine Schlafhütte mit einem Doppelbett, daneben ein kleiner Schrank, ein Fahrrad. Es ist eng. Aber für Gogo ist es selbstverständlich, dass sie den Kindern und Jugendlichen ein zuhause bietet. Wie sie das finanziert? Zwei Monate im Jahr geht sie schilfartiges Gras schneiden. Dieses verkauft sie an Menschen, die damit die Dächer ihrer Hütten decken.

Eltern lassen ihre Kinder in Simbabwe zurück

Dass es so viele Sozialwaisen gibt, lässt sich auf ein Phänomen zurückführen: „Viele Eltern gehen nach Südafrika, um dort zu arbeiten. Sie lassen nichts zurück, und man weiß auch nicht, ob sie je wieder nach Simbabwe zurückkehren“, sagt Karin Schmauder. Auch ihre afrikanische Patentochter Joline (11) lebt bei Gogo auf dem Land. Schmauder hat sie danach gefragt, was sie denn später mal beruflich machen möchte. „Managerin“, kam da prompt zurück. Und genau das ist es, was Karin Schmauder so liebt an den Menschen im Weltgebetstags-Land. „Sie haben Ziele, Wünsche und Träume. Und sie sind motiviert, diese auch umzusetzen“, sagt Schmauder.

Wie beispielsweise auch die jungen Mütter bis zum Alter von 25, die in Bulawayo, einer Stadt im Südwesten, eine Koch-Ausbildung machen. Nebenher haben sie Bibelunterricht. Nach drei Monaten schließt sich ein Betriebspraktikum von einem halben Jahr an. Zum Abschluss müssen sie eine Prüfung ablegen. Die kostet Geld, das viele der Schülerinnen nicht haben. Und da springt die Hilfsorganisation „precious life“ ein. So träumt so manche der Frauen davon, irgendwann vielleicht ein eigenes Restaurant eröffnen zu können.

„Simbabwe ist auf der einen Seite ein reiches Land“, sagt Karin Schmauder. Es verfügt über viele Bodenschätze. Andererseits ist es sehr arm: Die Arbeitslosigkeit liegt bei 80 Prozent. „Wenn ich an das Armenviertel in Harare denke, könnte ich gleich wieder heulen“, sagt Schmauder. In all dem Elend hat sie aber gerade dort Hoffnung entdeckt: „Die Leute machen aus Nichts noch Etwas. Zum Beispiel Flipflops aus Autoreifen.“

Dieses Sich-nicht-unterkriegen-Lassen ist das eine, rechtliche Voraussetzungen und gesellschaftliche Traditionen das andere. „Besonders für Frauen auf dem Land ist es nicht einfach, ein selbstbestimmtes Leben zu leben. Traditionell sind die Frauen auf dem Land dazu verpflichtet, sich um Haus, Hof und Garten zu kümmern, ihre Männer gehen in die Nachbarländer oder nach Südafrika zum Arbeiten und haben dort auch meist noch eine andere Frau“, berichtet Schmauder. Ab und zu lassen sich manche Männer zu Hause blicken. Wenn sich die Frauen mit Korbflechterei oder anderen Tätigkeiten etwas dazuverdienen, geht das Geld automatisch an den Ehemann. Es gibt keine gesetzliche Güterregelung.

Meist zahlten die Frauen für den Lebensunterhalt, die Männer die Vermögensgegenstände. Was im Falle der Scheidung bedeutet, dass die Frauen danach fast nichts mehr besitzen. Dazu kommt, dass es neben den beiden gesetzlich festgelegten Formen der Ehe – polygam und monogam – auch die rechtlich nicht bindende traditionelle Form der Ehe gibt. Es wird zwar ein Brautpreis bezahlt, aber die Frauen können vor Gericht nichts einfordern.
In der Stadt sei das Leben für Frauen freier, hat Karin Schmauder beobachtet. Wenn es den Frauen gelingt, eine Arbeit zu finden, haben sie mehr Möglichkeiten. Sie arbeiten als Lehrerinnen oder sind im Krankenhaus tätig.

Aber viele Frauen finden keinen Job. Dann müssen sie es machen wie Leitica, eine der selfmade-Frauen. Sie hat ein eigenes Modelabel gegründet. Sie näht zusammen mit zwei anderen neben selbst entworfener Mode auch Hotel- und Schuluniformen. Dafür müssen sie hart arbeiten. Aber sie sei glücklich, hat sie Karin Schmauder erzählt.

Ein anderes Thema ist die medizinische Versorgung im Land. „Die Krankenhäuser besitzen fast kein Material. Die Menschen müssen es selbst mitbringen“, sagt Karin Schmauder. Auch so einfache Dinge wie Verbandsmaterial. Insgesamt ginge es im Land eher bergab. Die Inflation steigt. Dass sich unter Präsident Emmerson Mnangagwa, seit 2017 Nachfolger von Robert Mugabe, etwas ändert, glauben die wenigsten.

Eltern lassen ihre Kinder in Simbabwe zurück

Darum versuchten die Menschen, sich selbst zu helfen, auch wenn sie kaum Mittel dazu haben. Beispielsweise auf der „Friendship Bench“, der Bank der Freundschaft. Das ist ein Projekt in der Hauptstadt Harare auf dem Gelände einer ehemaligen Botschaft. Frauen treffen sich dort in einem Raum zum gemeinsamen Häkeln. Das Material: Bänder aus Audio-Kassetten oder Plastikstreifen. Daraus werden dann Handtaschen. Es gibt einen Garten, in dem die Frauen Gemüse für den Verkauf anbauen. Geleitet wird das Projekt von Frauen, die extra dafür ausgebildet wurden, zuzuhören und andere Menschen zu beraten.

Und nicht zuletzt sind die Kirchen zu nennen als Orte der Hoffnung. Hier wird nicht nur gemeinsam Gottesdienst gefeiert, sondern meist auch noch zusammen gegessen. Die Männer stehen am Grill, die Frauen kochen, die Kinder spielen. Die Hoffnung lebt.