Der November ist die Zeit der Synoden in der evangelischen Kirche. Den Anfang machte jetzt die EKD-Synode in Bonn (Seiten 4 und 5). Hauptthema: Wie kann die Kirche die säkularisierte Gesellschaft erreichen? Also jene Menschen, die nicht mehr in die Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen gehen – oder sich gar nicht mehr für Kirche interessieren.
Die Antwort ist nicht neu: Wenn die Menschen nicht mehr kommen, dann muss die Kirche zu ihnen hingehen.
Das ist eine Binsenweisheit. Trotzdem war sie jetzt bei der Synode immer wieder zu hören. Prominent vorgetragen gleich mehrfach von der Präses der Synode, Irmgard Schwaetzer. Offenbar hat sich diese Erkenntnis also noch immer nicht durchgesetzt. Und es ist ja auch wahr: So sehr es gute Gottesdienste gibt, interessante Gemeindeveranstaltungen – ANZUBIETEN und EINZULADEN reicht nicht mehr. Das hat es eigentlich nie. Das Gleichnis im Evangelium vom guten Schäfer, der die Herde verlässt, um das eine, verlorene Schaf aufzusuchen, zeigt deutlich, wie alt diese Erkenntnis ist: Wer Versprengte erreichen will, muss die gewohnte, vertraute Umgebung verlassen; muss ins Unbekannte gehen, herumstöbern, Wege suchen, ausprobieren.
Aber wie kann das konkret aussehen?
Bei der Synode wurden Beispiele gesammelt: Kneipengottesdienste. Andachten im Skaterpark. Im Fitnessstudio. Einkaufszentrum. Im Café. Lesungen in Buchhandlungen. Für die Jugend muss die Welt der digitalen Räume erschlossen werden, Online-Gebete, Gottesdienste in sozialen Netzwerken, bis hin zu virtuellen Gemeinden.
Da wird man auch mit Fehlschlägen leben müssen. Dass ein solches Hinausgehen und Ausprobieren aber funktionieren kann, hat nach Ansicht der Synode gerade eindrucksvoll das zu Ende gegangene Reformationsjubiläum gezeigt. Trotz mancher Fehlschläge und Enttäuschungen – insgesamt waren die Versuche, mit der Botschaft der Reformation in die säkulare Welt zu gehen, ein Erfolg. Der EKD-Ratsvorsitzende, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sprach von einer „Vitaminspritze“ für die evangelischen Kirchen.
Dabei fällt etwas auf: „Wenn die Kirche zu einem Themenabend einlädt ,Was kommt nach dem Tod?‘, dann sind die Säle voll“, berichtete der Ratsvorsitzende von seinen Erfahrungen. Rede sie dagegen vom Klimawandel, kämen deutlich weniger.
Das spricht nun eindeutig nicht dagegen, dass die Kirche sich mit dem Klimawandel beschäftigt. Was aber festzuhalten bleibt, ist eine doppelte Erkenntnis: Die Kirche muss sich für Gerechtigkeit und den Zusammenhalt der Gesellschaft einsetzen. Wenn sie aber die Menschen erreichen will, darf sie dabei nicht verschweigen, aus welchem Geist heraus sie das tut.