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Von fetten Fischen und vielen Tränen

Die Künstlergruppe „Das Letzte Kleinod“ aus Geestenseth bei Bremerhaven inszeniert Fluchtgeschichten von Deutschen, Polen und Russen. Aufgeführt wird es auf Bahnhöfen. Deutschland-Premiere des Stücks „Flucht – Ucieczka“ ist am 3. August in Frankfurt/Oder

Die Fische waren fett am Ende des Krieges in Ostpreußen. „Weil die Gewässer voller Leichen waren“, erzählt Regisseur Jens-Erwin Siemssen von der Theatergruppe „Das Letzte Kleinod“ aus Geestenseth bei Bremerhaven. Monatelang haben Siemssen und sein Team in Russland, Polen und Deutschland recherchiert, um Geschichten von Zeitzeugen über Flucht und Vertreibung zu finden und sie auf die Bühne zu bringen. „Flucht – Ucieczka“ heißt das dokumentarische Stück, das dabei herausgekommen ist. Aufgeführt wird es auf zehn Bahnhöfen in Deutschland und Polen.

Die für ihr Dokumentar-Theater bereits mehrfach ausgezeichnete Gruppe ging für das neue Projekt gemeinsam mit dem polnischen Theater „Gdynia Glowna“ auf Spurensuche. Die Initiatoren führten in Kaliningrad, dem früheren Königsberg, sowie in polnischen und deutschen Orten insgesamt 14 Interviews mit Menschen, die als Kind auf der Flucht waren. „Wir haben gespenstische Geschichten gehört“, sagt Siemssen.
Von der deutschen Frau etwa, deren Mutter sich in Ostpreußen auf dem Dachboden gemeinsam mit anderen das Leben nahm, als die russischen Truppen anrückten und sie ihr Haus verlassen musste. „Es ist 75 Jahre her, aber es gab immer Tränen“, erzählt Siemssen. Die Geschichten von der Flucht seien bei den Menschen tief verankert, aber vielfach auch verschüttet.
Die Gruppe beschränkt sich bei ihrem neuen Stück nicht auf deutsche Fluchtgeschichten. „Das ist nicht nur ein deutsches Schicksal, sondern ein europäisches“, betont Siemssen. Auch Russen und Polen hätten ihre Heimat aufgeben müssen, weil ihre Häuser zerbombt waren. „Und sie haben die gleichen Erfahrungen gemacht wie die deutschen Flüchtlinge aus Ostpreußen.“
Das Stück „Flucht – Ucieczka“ ist seit Mitte Juli mit einem zur Theaterbühne umfunktionierten Güterzug auf einer Reise durch Polen und Deutschland. Premiere war im polnischen Gdynia bei Danzig, dem früheren Gdingen. Das ist der Heimatort der polnischen Partnergruppe, die ebenso wie „Das Letzte Kleinod“ üblicherweise mit einem Theaterzug unterwegs ist.
Für die neue Produktion hat die Gruppe extra vier große Güterwaggons aus Tschechien angemietet, in denen der Hauptteil des 70-minütigen Stückes zu sehen ist. 120 Besucher können jeweils zu einer Vorstellung kommen.
Deutsche Premiere ist am 3. August in Frankfurt/Oder. „Wir wollen nicht von Politik oder Zahlen erzählen, sondern von persönlichen Schicksalen, so traurig, katastrophal oder traumatisch sie auch sein mögen“, betont Siemssen.

Die Spielorte in Deutschland sind:
Frankfurt/Oder – Lokwerkstatt DB Netz (3.-5. August),
Berlin-Spandau – Bahnhof Johannesstift der Havelländischen Eisenbahn (6.-7. August),
Lüneburg-Süd – Museumsbahnhof An der Soltauer Bahn (9.-11. August),
Hannover-Linden – Güterbahnhof Linden(13.-15. August),
Bremerhaven-Überseehafen – Columbusbahnhof (18.-22. August),
Bad Bederkesa – Museumsbahnhof (23.-24. August)
Geestenseth – Bahnhof Schiffdorf-Geestenseth (25.-26. August).
Die Aufführungen sind jeweils um 19 Uhr und um 20.30 Uhr.

Weitere Informationen im Internet unter www.das-letzte-kleinod.de.