Weg von den Sorgen, weg vom Herumdenken. Im buddhistischen Kloster von Waldbröl bei Bonn suchen die Gäste bei einem besonderen Angebot inneren Frieden. Und finden ihn zwischen Streuobstwiesen und umgewidmeten NS-Bauten.
Wenn die Glocke schlägt, dann bleibt die Zeit im buddhistischen Kloster von Waldbröl stehen. Alle halten inne und horchen in sich hinein. Die Welt draußen gibt es nicht mehr. Bis die Glocke wieder klingt. Dann wacht das Institut für angewandten Buddhismus wieder auf und alles geht seinen gewohnten Gang. Obwohl dieses Kloster alles andere als gewöhnlich ist. Vom Buddhismus mitten im Bergischen Land, bis zur Geschichte der Anlage als Nervenheilanstalt und geplantes Nazi-Ferienhotel – optisch mehr Kaserne als Kloster.
Vor achtzig Jahren wäre das heutige Geschehen an diesem Ort undenkbar gewesen. Eine Gruppe internationaler Gäste eines Sommer-Retreats begleitet Mönche und Nonnen, die großteils aus Vietnam kommen, durch die Klostergärten am Stadtrand. Geh- oder Wandermeditation nennt sich das. Langsam und schweigend durch die Natur laufen und die Gedanken schweifen lassen. Ein friedliches Bild, das nun schon seit 2008 ganz normal hier im Bergischen Land ist.
Institutsleiter Thay Phap An hat den Werdegang eines der größten buddhistischen Klöster Europas hautnah miterlebt. Das Institut geht zurück auf den spirituellen Lehrer Tich Nhat Hanh. Im Jahr 2006 suchte dessen Gemeinschaft einen Standort in Deutschland. Es war Thay Phap An, der beim Gebet eine Vision hatte, wo sich dieser Standort befinden sollte: in der Nähe von Bonn. “Dabei wusste er gar nicht, wo Bonn liegt. Schon gar nicht Waldbröl”, erzählt seine Mitschwester Song Nghiem.
Trotzdem schien das Gelände, auf dem heute knapp 50 Mönche und Nonnen leben, genau richtig. Nicht nur, weil es genug Platz bot und die Kleinstadt Waldbröl in Nordrhein-Westfalen gut angebunden ist. Sondern auch aufgrund seiner bewegten Geschichte. “Hier hatten wir das Gefühl, dass spirituelle Energien uns gebeten haben herzukommen”, berichtet Thay Phap An.
Dabei scheint diese Energie kein leichtes Erbe zu sein. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gelände als Nervenheilanstalt genutzt. Dann deportierten die Nationalsozialisten deren Bewohner, um Platz für ein Hotel der NS-Initiative “Kraft durch Freude” zu machen. Nach dem Krieg war das spätere Kloster zunächst ein Krankenhaus, dann bis 2006 Heimat von verschiedenen Einrichtungen der Bundeswehr.
Die teils düstere Vergangenheit der Anlage verkehren die Mönche und Nonnen ins Gegenteil. Alte Steinsäulen aus der NS-Zeit wurden kurzerhand umgebaut und stehen heute als Glockenturm im Klostergarten. Auf dem Gelände der ehememaligen Militärverwaltung stehen heute duftende Kräutergärten und Streuobstwiesen.
“Mir war klar, ich kann vielen Menschen helfen, wenn ich Liebe in die Arbeit an diesem Ort investiere. Und wir haben viel investiert. Ich meine es hat sich gelohnt”, sagt Song Nghiem. Und wer mit ihr am Tisch sitzt, und Tee trinkt, wer der kleinen Frau in ihrem braunen Nonnengewand zuhört, der kann nicht anders, als ihr zuzustimmen. Jedes Jahr buchen tausende Besucher im Institut Kurse in Achtsamkeit, Meditation oder Gesundheit. Ganz groß sind die Sommer-Retreats – Besinnungstage, zu denen gewöhnlich hunderte Menschen auf einmal anreisen.
Die US-Amerikanerin Nicki Adams ist eine davon. Wie viele andere Gäste, ist sie christlich aufgewachsen, lebt aber ihrerseits den christlichen Glauben nicht mehr. “Im Buddhismus hast du mehr persönliche Verantwortung. Es heißt nicht, du sollst nicht, sondern es liegt alles bei dir”, meint Adams, die heute an einer Hochschule in Baden-Württemberg arbeitet. Sie kommt regelmäßig her, um mehr über sich und den Buddhismus zu lernen. Es wird meditiert, geredet und zusammen gekocht. Vor allem aber schätzt Adams, dass man auch in der Gemeinschaft aufhört “herumzudenken”.
Abschalten, sich frei machen vom Weltlichen. Ob bei der Geh-Meditation oder bei Liege-Meditationen, bei denen man schnell auch mal einschlummert. Das Waldbröler Institut strahlt eine natürliche Ruhe aus. Die Mönche und Nonnen haben gelernt, nicht ständig ans Geldverdienen zu denken oder an die Sorgen der Zukunft. Vor allem aber versuchen sie, ohne Angst zu leben. “Und das bringen wir den Menschen bei. Denn die beste Art der Befreiung ist die Befreiung von Angst”, sagt Schwester Song Nghiem.