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Vom Laufsteg auf die Kanzel

Als Model bei Heidi Klum hat Jacqueline Thießen bunten Mode-Chic getragen. Doch ihr Kleidungsstück der Zukunft soll ein schwarzer Talar sein. Die Hamburgerin will Pastorin werden

Timo Teggatz

In der Fernsehshow „Germany‘s next Top Model“ schaffte Jacqueline Thießen den zehnten Platz. Heute studiert die 20-Jährige, modelt nebenbei und hat einen für das Model-Business ungewöhnlichen Berufswunsch: Die Hamburgerin möchte Pastorin werden.

Heidi Klum überraschte mit einem Kamerateam

Eigentlich wollte sie an jenem Samstag im Dezember 2012 nur ein Stück zum Nikolaustag in der Wandsbeker St. Stephankirche proben. Jacqueline Thießen stand im Nikolauskostüm auf der Kirchenbühne – und bekam plötzlich Besuch. Vor ihr stand Heidi Klum, Model und Moderatorin der Show „Germany‘s next Top Model“, nebst einem Kamerateam. Sie überraschte die damals 16-Jährige damit, dass sie Kandidatin in der Model-Show werden würde. Noch am gleichen Abend packte Jacqueline Thießen ihre Koffer. Kurz darauf hob der Flieger Richtung Dubai ab, wo der Start der Show aufgezeichnet wurde.
Heute sagt die junge Frau, dass sie erst gar nicht richtig verstanden habe, was da gerade passierte. Doch es war der Moment, der ihr Leben veränderte, denn die Hamburgerin startete ihre Model-Karriere vor Millionen Fernsehzuschauern. Am Ende belegte sie den zehnten Platz in der Show.
Doch eine Kandidatin wie jede andere war Jacqueline Thießen nicht, denn sie hat den Berufswunsch, Pastorin zu werden – und das spielte in der Show durchaus eine Rolle. Die Hamburgerin wurde als die „Kirchenmaus“ inszeniert. Darüber schmunzelt Jacqueline heute noch. Gestört habe es sie nicht. „Ich fand es eher niedlich und passend. Besser, als wenn ich die ,Zicke‘ gewesen wäre.“
Den Wunsch, Pastorin zu werden, hatte Jacqueline Thießen schon als Kind. Damals ging sie mit ihren Eltern in den Gottesdienst, und dort stand vorn ein junger und engagierter Pastor. Er zeigte ihr, dass Kirche gar nicht altmodisch und langweilig sein muss – das hat das junge Model geprägt. Model und Pastorin – beides hat Jacqueline Thießen nicht aus den Augen verloren.
Inzwischen hat sie ihr Abitur gemacht und studiert in Hamburg derzeit Sozialökonomie im dritten Semester. Ihren Stundenplan legt sie so, dass freie Tage für das Modeln bleiben. Fotoshootings macht sie vor allem für internationale Mode-Zeitschriften, bei der „Berlin Fashion Week“ stand sie auf dem Laufsteg, und im März schickt ihre Agentur sie ins Ausland, vielleicht nach Indien – „dort ist mein Typ mit blauen Augen gefragt“. Dass sie auch die kürzlich gestartete Staffel von „Germany's next Top Model“ verfolgt, ist selbstverständlich.
Mit ihrem Theologie-Studium möchte sie erst später anfangen. „Dann fühle ich mich reifer dafür“, begründet sie und schiebt einen praktischen Grund hinterher: Wenn sie erst in einigen Jahren ins Vikariat startet, gehen viele Pastoren im Norden in den Ruhestand. Damit würden sich ihre Chancen auf eine Stelle in Hamburg erhöhen, denn sie  möchte bei ihrer Familie in der Hansestadt bleiben.

Konfirmandinnen wollen schon mal Autogramme

Bis dahin engagiert sich die Christin ehrenamtlich in ihrer Gemeinde, zum Beispiel im Kirchenvorstand, wo sie die Jugendarbeit stärken möchte. Vor der Gemeinde steht sie sonntags im Gottesdienst, wenn sie die Lesungen übernimmt. Außerdem begleitet sie die Kinderkirche und gibt zusammen mit Gemeindepastor Claus Conradi Konfirmandenunterricht. Für die 14- bis 15-Jährigen ist es natürlich etwas Besonderes, von einem bekannten Model unterrichtet zu werden, vor allem für die Mädchen. Neuen Konfirmanden muss Jacqueline Thießen schon mal ein Autogramm geben oder für ein Foto posieren.
Der Glaube, sagt Jacqueline Thießen, bedeute ihr viel. „Es ist gut zu wissen, dass es jemanden gibt, der auf dich aufpasst und dir nie mehr zumutet, als du schaffen kannst.“