Artikel teilen:

Vier Befreiungsschritte der Frauen

UK 14/2016, Bibel verstehen (Leitartikel Seite 1: „Warum die Frau nicht schweigt“)
Ja, wir leben in der Epoche, in der die Frauen im öffentlichen Leben nicht mehr schweigen – und das ist gut so! Jedoch – Ihrer Einstufung des 1. Korinther 14 als Zeitgeist, den wir Modernen also einfach vernachlässigen können, möchte ich widersprechen:  Mit 1. Korinther 14 beginnt die Befreiung aller Frauen zu verantwortlicher Rede in der Öffentlichkeit!
Welches Reden untersagt nämlich Paulus in dem Text? Da ist zuerst die nicht endende Totenklage der Frauen in den Stämmen. Sie war die dominante öffentliche Rede der Frauen, ihre Weise, den Tod der Helden zu verleugnen. Aus dieser Klage entspringt die Blutrache bis heute. Und zweitens ist zu nennen der Kult der Muttergottheiten Isis und Astarte – der im Muttertag unserer Zeit mächtig Auferstehung feiert. Er verklärte die Wiederkehr des schon vorhandenen Lebens auf der Erde.
Unsere wahre Zukunft, in die uns Gott ruft, sie ist den Totenklagenden und den Anbetern der Muttergöttinnen unbekannt und unerreichbar –  damals wie heute. Indem Paulus diese Reden untersagte, öffnete er allen Frauen das Ohr für die Stimme Gottes, die auch sie beruft in das noch unbekannte Leben unserer Zukunft (siehe Exodus 3,14).
Maria, die Mutter Jesu, ist eben nicht Muttergöttin, sondern Mutter Gottes. Diese Tat der Alten Kirche war der 2. Befreiungsschritt der Frauen, vergleichbar der Befreiung Abrahams zu wahrer Vaterschaft in Genesis 22. Da lernte Abraham von Gott, dass er seinen Sohn nicht seinen Zielen und dem vorhandenen Leben opfern darf, und in Maria lernten die Mütter das geistliche Sterben als Voraussetzung dauernden Lebens. Damit öffnete Gott uns Seinen Segen, wie er in Jesaja 59 beschrieben ist. Der Heilige Geist ist der Geist, der mindestens drei Generationen vereint. Daher hat die jeweilige Jugend das Recht und die Pflicht zu wählen, was sie von ihrem Erbe weiterführen muss, und was beendet werden muss um der Zukunft des Lebens willen.
Der 3. Befreiungsschritt der Frauen gewann wirkende Gestalt in unserer Geschichte im evangelischen Pfarrhaus, in dem eben Käthe Luther frei von der Macht der Sippe selber ihre Bindung wählte und Hauspriesterin war mit ihrem Mann. Dem gingen fünf Jahrhunderte der Feier von Allerseelen voraus, der Überwindung der Angst vor den Toten, und die Beginen und Frauenklöster.
Der 4. Befreiungsschritt ist meines Erachtens heute nicht damit geschehen, dass Frauen die alten von Männern geformten Ämter ergreifen und sagen: Durch mich spricht Gott! Der männliche Geist, der diese Ämter regierte, abstrahierte vom Leben, von den bloßen Angeborenheiten Nation und Natur. Dieser Geist führt heute nicht mehr zu neuem Leben, weil der geistliche Tod zur alltäglichen Erfahrung aller geworden ist in der weltweiten Gesellschaft, in der das einzig Dauernde die permanente Veränderung ist.
Nicht die weitere Spaltung von Leib und Seele, sondern die Einheit von Leib und Seele wird vor Gottes Augen Gnade finden. Der Liebeskampf der Leidenschaft muss deshalb heute geheiligt werden. „So hofft also die Gesellschaft auf Frauen in töchterlicher Gestalt. Nicht bestimmt von der Lehre der Väter treten diese Frauen hervor (…), sondern als Töchter der Schöpfung, die dem Drange der Liebe und der Sehnsucht  nachgeben, so wie ihnen das Herz schlägt. Aus ihrer Begegnung mit den Söhnen der sich festgelaufenen Geschichte kommt neuer Geist. Denn: das Leben ist die Liebe / und der Liebe Leben Geist.“ (Bas Leenman) Wer Augen hat zu sehen, der begegnet vielen auf dem Weg.
Thomas Dreessen / Gladbeck