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Verschärfungen in der Migrationspolitik bleiben umstritten

Bundesinnenminister Dobrindt will den Koalitionsvertrag in Sachen Migration schnell umsetzen. Schon am Mittwoch soll das Kabinett zwei Gesetzentwürfe auf den Weg bringen. Kritik an den Plänen reißt nicht ab.

Die schwarz-roten Pläne für einen härteren Umgang mit Geflüchteten sorgen weiter für Kritik. An diesem Mittwoch wird das Kabinett voraussichtlich zwei Gesetzentwürfe auf den Weg bringen: einen zur Aussetzung des Familiennachzugs in bestimmten Fällen und einen zur Abschaffung der sogenannten Turbo-Einbürgerung. Insbesondere die Aussetzung des Familiennachzugs sorgt weiter für viel Kritik – von Opposition, Flüchtlingsorganisationen und Kirchen.

Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf verständigt, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten – das sind etwa Bürgerkriegsflüchtlinge – zunächst für zwei Jahre auszusetzen. Härtefälle sollten ausgenommen werden. Bislang war der Nachzug zu dieser Gruppe bereits auf bis zu 1.000 Menschen pro Monat beschränkt. “Damit ist jetzt Schluss”, hatte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) dazu am Wochenende gesagt. In den vergangenen beiden Jahren war das Kontingent jeweils ausgeschöpft worden.

Die beiden großen Kirchen lehnen den angekündigten Stopp ab. In der Folge müssten Bürgerkriegsflüchtlinge längere Zeit getrennt von ihren engsten Familienmitgliedern leben. Das sei ethisch überaus fragwürdig und wirke sich auch negativ auf die Integration aus, sagte der katholische Hamburger Erzbischof Stefan Heße den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (Dienstag).

Das Grundgesetz stelle die Familie unter besonderen Schutz der staatlichen Ordnung, so Heße. “Dieses Schutzversprechen gilt für alle Familien in unserem Land – auch für schutzsuchende Familien.” Ähnlich äußerte sich der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Christian Stäblein, der großzügige Regelungen beim Familiennachzug forderte.

Die Organisation Pro Asyl sprach von einem “Familienzerstörungsgesetz”. Es sei eine Katastrophe für Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen seien. Mütter, Väter und Kinder müssten weiterhin in Gefahr und Angst leben, ihre Familien blieben zerrissen. Mit der Aussetzung des Familiennachzugs würden legale und sichere Fluchtwege geschlossen.

Auch mit der geplanten Abschaffung der sogenannten Express-Einbürgerung will Dobrindt eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag zügig umsetzen. Die beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren für besonders integrierte Zuwanderer war im vergangenen Jahr von der damaligen Ampel-Regierung eingeführt worden. Der Minister sagte der “Bild”-Zeitung (Mittwoch), er erhoffe sich durch diesen Schritt auch einen Rückgang der Asylbewerberzahlen. Er sprach von einem bisherigen Irrweg: “Die deutsche Staatsbürgerschaft muss am Ende eines Integrationsprozesses stehen – und nicht am Anfang.”

Die Innenpolitikerin Clara Bünger (Linke) aus dem Bundestag kritisierte beide Vorhaben deutlich: “Alles zusammengenommen stehen wir am Beginn einer migrationspolitischen Eiszeit.” Diese werde “die Gesellschaft negativ verändern und ein gleichberechtigtes, solidarisches Zusammenleben erschweren”. Die “Migrationswende” sei nicht weniger als eine “Abkehr von Humanität und Menschenrechten”.

Derweil berichtete die “Welt”, dass die illegalen Grenzübertritte in diesem Jahr bislang deutlich unter dem Niveau der Vorjahre lägen. Nach aktuellen Zahlen der Bundespolizei seien seit Jahresbeginn knapp 24.500 festgestellt worden, in den beiden Vorjahren seien es jeweils um die 35.000 gewesen.

Dobrindt hatte die Bundespolizei Anfang Mai angewiesen, die Grenzen verstärkt zu kontrollieren. Auch Asylsuchende sollen nun zurückgewiesen werden können. Innerhalb von zwölf Tagen seien danach 2.320 illegale Einreisen erfasst worden, berichtete die “Welt” weiter. Rechne man dies auf das gesamte Jahr hoch, blieben die Zahlen rund 15 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Medienberichten zufolge wurden in den ersten beiden Wochen 1.676 Menschen zurückgewiesen. 123 Asylbegehren wurden gezählt, bei 87 kam es zur Zurückweisung.