UN-Generalsekretär António Guterres hat Klartext gesprochen: „Unsere Welt befindet sich in einem Wirbelsturm“, sagte Guterres Ende September zum Auftakt der Generaldebatte der Vereinten Nationen in New York. Die Menschheit stehe vor Herausforderungen, „wie wir sie noch nie gesehen haben, Herausforderungen, die globale Lösungen erfordern“. Doch Kriege, Klimawandel, autoritäre Regime, Armut und Hunger bedrohen nicht nur Menschen in vielen Teilen der Welt. Sie gefährden auch immer stärker die Legitimation und Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen – denn die UN stehen vielen Krisen und Konflikten, wie in der Ukraine, ohnmächtig gegenüber.
Ausgerechnet in dieser Lage will in den USA ein ausgesprochener Feind der Weltorganisation das höchste Staatsamt übernehmen: Donald Trump. Der Republikaner könnte die US-Präsidentschaftswahl am 5. November abermals gewinnen und ab 2025 die UN und ihre Institutionen erneut attackieren. Eine Anfrage beim UN-Sekretariat in New York über mögliche Vorbereitungen auf eine zweite Trump-Präsidentschaft blieb unbeantwortet.
Doch Experten zeichnen ein beunruhigendes Szenario für den Fall, dass der 78-Jährige das Ruder des politisch, wirtschaftlich und militärisch stärksten UN-Mitgliedslandes wieder übernimmt. „Isolationistische Tendenzen in der US-Außenpolitik schwächen die Rolle der UN im internationalen Krisenmanagement“, sagt Ekkehard Griep, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. „Krisen- und Konfliktprävention unter UN-Mandat ist glaubwürdiger und wirkungsvoller mit Unterstützung der USA.“
Insgesamt dürfte ein Präsident Trump „die traditionell UN-feindliche Haltung der Republikaner, insbesondere die des Make-America-Great-Again-Lagers, recht weitgehend umsetzen wollen“, prognostizieren auch Stephan Klingebiel und Max-Otto Baumann vom „German Institute of Development and Sustainability“ (IDOS) in Bonn. Für diese Republikaner verkörperten die UN einen „übergriffigen, souveränitätsbedrohenden, von links beeinflussten Multilateralismus“.
Trump attackierte schon während seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 die Vereinten Nationen. „Die massiven amerikanischen Angriffe auf die UN und ihre Ideale begannen kurz nachdem Trump das Präsidentschaftsamt angetreten hatte und eine Flut an Dekreten erließ“, erläutert die langjährige UN-Korrespondentin Barbara Crossette. „Eine seiner ersten Direktiven, die er nur drei Tage nach seiner Amtseinführung unterzeichnete, traf den Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, UNFPA“. Trump strich dem UNFPA alle finanziellen Zusagen – wegen dessen Beratungen und Informationen zu Abtreibungen.
Auf das UNFPA folgten weitere Einrichtungen oder Verträge, denen Trump den Geldhahn zudrehte oder denen die USA den Rücken kehrten: Betroffen waren etwa der UN-Menschenrechtsrat, die Bildungs- und Kulturorganisation Unesco, das Palästinenserhilfswerk UNRWA, das Pariser Klimaabkommen und die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Der von Trump angeordnete US-Austritt aus der WHO wurde jedoch nicht mehr vollzogen.
Die Experten Klingebiel und Baumann trauen einem wiedergewählten Präsidenten Trump jetzt sogar zu, das System der Pflichtbeiträge infrage zu stellen. Der Geschäftsmann aus New York könnte die Finanzierung des regulären UN-Haushalts auf freiwillige Beiträge umstellen. Nach dem Verteilungsschlüssel der UN 2023 liegt der Anteil der USA am regulären Haushalt bei 22 Prozent. „Würden die amerikanischen Pflichtbeiträge einseitig gestrichen, hätte dies eine massive Liquiditätskrise der UN zur Folge“, warnen die Fachleute in einer Analyse. Eine derartige Umstellung könnte die Zahlungsmoral anderer UN-Mitglieder untergraben.