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Unverzichtbare Anlaufstelle für Missbrauchsopfer

Sexualisierte Gewalt kann Leben zerstören. Die kirchlichen Betroffenenbeiräte haben sich als wichtige Anlaufstelle etabliert. Jetzt sucht das Freiburger Gremium neue Mitglieder. Das ist – wie auch andernorts – nicht einfach.

Betroffenenbeirat – der Begriff klingt bürokratisch. Doch dahinter verbirgt sich eine wichtige Anlaufstelle für Opfer von Missbrauch und sexualisierter Gewalt durch Priester und Kirchenmitarbeiter. In dem Beirat engagieren sich Betroffene für Betroffene. Und vermitteln beispielsweise Informationen über kirchliche und externe Anlaufstellen. Oder beraten bei Anträgen für Entschädigungszahlungen.

Drei Jahre nach der Gründung des Freiburger Betroffenenbeirats – ähnliche Gremien gibt es inzwischen in allen deutschen Bistümern – steht nun der erste personelle Wechsel an. Die vier Gründungsmitglieder ziehen sich zurück, geben die Verantwortung ab.

Bislang gibt es erst wenige Bewerber für die Nachfolge. Auch andere Bistümer tun sich schwer, Betroffene für dieses Engagement zu finden. Das Erzbistum Freiburg hat jetzt eine Ausschreibung veröffentlicht. Wenn alles klappt, soll der neue Beirat im Herbst seine Arbeit aufnehmen.

Dass sich die Betroffenenbeiräte als wichtige Anlaufstelle im kirchlichen Raum etabliert haben – damit hätte noch vor wenigen Jahren kaum jemand gerechnet.

Denn erst seit 2010 wurde langsam und zunächst gegen große Widerstände der Kirchenleitungen das ganze Schreckensausmaß von sexuellem Missbrauch durch Priester und Kirchenmitarbeiter aufgedeckt. Bundesweit gab es Tausende Opfer, denen über Jahrzehnte niemand glaubte und half. Stattdessen schützten die Bischöfe und kirchlichen Personalverantwortlichen die Täter. Das Leid der Betroffenen ist in Missbrauchsberichten dokumentiert.

Zugleich ist es inzwischen gelungen, das Thema Missbrauch aus der Tabuzone zu holen. Heute stellen sich alle Bistümer ihrer Verantwortung und investieren viel in Aufarbeitung, Begleitung und Prävention.

Auch der scheidende Freiburger Betroffenenbeirat anerkennt die Aufarbeitung und die aktuellen Hilfsangebote und Unterstützungen von Betroffenen durch die katholische Kirche im Südwesten. “Die Schutzkonzepte funktionieren, um Missbrauch und Grenzüberschreitungen möglichst zu verhindern und Betroffenen schnelle Hilfe zu ermöglichen”, heißt es beim scheidenden Beirat. Die Mitglieder wollen strikt ihre Anonymität wahren und daher nicht mit ihrem Namen öffentlich auftreten.

Ein strittiges Thema bleiben die Entschädigungszahlungen. Die katholischen Bischöfe haben eigens eine unabhängige Stelle geschaffen, über die Missbrauchsbetroffene Zahlungen als “Anerkennung für erlittenes Leid” beantragen können. Zunächst waren das zumeist niedrige fünfstellige Beträge, inzwischen erhalten schwer Betroffene nicht selten mehr als 50.000 oder 100.000 Euro zugesprochen. Allein das Erzbistum Freiburg hat in diesem Zusammenhang seit 2021 insgesamt 5,15 Millionen Euro an Betroffene gezahlt.

Eine Freiburger Besonderheit, die über das von den katholischen Bischöfen bundesweit Vereinbarte hinausgeht, ist die Möglichkeit für Betroffene in sozialer Not, eine monatliche Unterstützungsleistung zu erhalten. Aktuell profitieren davon rund 40 Personen mit bis zu 800 Euro monatlich.

Gerade hat die Kirchenleitung dazu eine neue Satzung beschlossen: Demnach fällt die monatliche Unterstützung automatisch weg, wenn die Unabhängige Kirchenkommission dem Betroffenen eine Einmalzahlung von mindestens 50.000 Euro zuspricht. Ein neuer Antrag auf monatliche Hilfe ist dann frühestens nach fünf Jahren möglich.

Mit diesen Änderungen ist der Betroffenenbeirat nicht einverstanden. “Die Grenze ist zu niedrig. Was sind 50.000 Euro, verteilt auf fünf Jahre, wenn man wegen des erlittenen Missbrauchs erwerbsunfähig und für sein Leben gezeichnet ist?”, fragt der Beirat.

Die Kirchenleitung wiederum verweist darauf, dass die “große Mehrzahl der Anpassungen in der neuen Ordnung auf Vorschläge des Betroffenenbeirats aus der frühen Beratungsphase zurückgeht”, sagte ein Bistumssprecher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Dies betrifft die Anerkennung von Therapeuten unterschiedlicher Profession, die Finanzierung von Therapiemöglichkeiten auch für Eltern und Kinder von Betroffenen sowie die Hinzuziehung einer Beratung in sozialrechtlichen Fragen.”