Ehrenamtliche Hilfe für Pflegebedürftige ist für die sogenannten Babyboomer mehrheitlich denkbar. Etwa zwei Drittel der Generation 60 plus können sich grundsätzlich vorstellen, Tätigkeiten zur Unterstützung Pflegebedürftiger im Alltag in organisierten Netzwerken zu übernehmen, wie aus einer veröffentlichten forsa-Umfrage im Auftrag der AOK hervorgeht. Gut jeder Vierte engagiert sich bereits ehrenamtlich – etwa jeder Fünfte für alte, kranke, pflegebedürftige Menschen oder welche mit Behinderung.
Eine große Mehrheit kann sich demnach etwa vorstellen, Pflegebedürftige beim Einkauf zu unterstützen. Aber auch bei Freizeitaktivitäten, Behördengängen oder Arztbesuchen gibt es eine große Hilfsbereitschaft. “Wir haben in Deutschland bereits ein gutes Netz an Freiwilligen, und es wird für die Zukunft wichtig sein, diese Ressource auch für Sorge und Pflege stärker zu aktivieren”, kommentierte die AOK-Vorstandsvorsitzende Carola Reimann die Umfrageergebnisse. Befragt wurden repräsentativ ausgewählt 2.000 Personen, darunter 1.000 der Generation Babyboomer.
Ehrenamt: Es geht um ein ergänzendes Hilfe-Netzwerk
Es gehe keineswegs darum, die professionelle Pflege zu ersetzen, sondern vielmehr um ein ergänzendes Hilfe-Netzwerk, so Reimann. Denn die Mehrheit der Befragten könne sich selbst gut vorstellen, bei Pflegebedürftigkeit Hilfe Ehrenamtlicher in Anspruch zu nehmen, um möglichst lange im gewohnten Umfeld wohnen zu bleiben.
Das Modell ist aus Sicht Reimanns wichtig angesichts der deutlichen regionalen Unterschiede in Sachen Pflegebedürftigkeit. Das ergab auch eine Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK für den Pflege-Report 2024. Während der Anteil Pflegebedürftiger zwischen 2017 und 2023 bundesweit im Schnitt um 57 Prozent stieg, gab es Kreise mit einem Anstieg von unter 40 Prozent und andere mit einem Anstieg von über 140 Prozent. Besonders hoch war der Anstieg in Kreisen in Ostdeutschland, Nordrhein-Westfalen, Hessen und im Saarland.
Allein das Alter erkläre aber nicht den starken Anstieg, so das Urteil der Analysten. Weitere entscheidenden Faktoren seien der Demenzanteil, das Vorhandensein einer Pflegeperson und strukturelle Aspekte. So steige etwa die Inanspruchnahme von Sach- und Kombinationsleistungen bei höherem Durchschnittsalter, mehr Demenzerkrankten und in ländlichen Regionen.
Pflegeversicherung steht am Scheideweg
Der Deutsche Caritasverband erklärte mit Blick auf die Zahlen, die nächste Bundesregierung müsse die Pflege ganz oben auf die Prioritätenliste setzen. “Die Pflegeversicherung steht an einem Scheideweg”, erklärte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Um auch in Zukunft menschenwürdige Pflege für alle zu gewährleisten, brauche es eine für alle Generationen verlässlich und nachhaltig finanzierte Pflegeversicherung.
Aus Sicht der Caritas-Chefin ist allerdings nicht nur der Gesetzgeber gefordert: “Eine sorgende Gesellschaft lebt vom zivilgesellschaftlichen Miteinander, vom alltäglichen Füreinander der Generationen.” Wohlfahrtsverbände als Orte der Zusammenarbeit von beruflich und freiwillig Engagierten könnten die Bildung von “caring communities” (sorgende Gemeinschaften) und damit die Teilhabe im Quartier sichern.