Berlin/epd Bischof Christian Stäblein lehnt eine Umbenennung von Martin-Luther-Straßen wegen des Antisemitismus des Kirchenreformators ab. Er finde das abwegig, schreibt Stäblein in einer Kolumne der Berliner „B.Z.“ vom vergangenen Donnerstag. Martin Luther (1483–1546) sei, wenn es um die Gründung des eigenen Glaubens gehe, ein großer Freiheitskämpfer gewesen.
Antijüdische Hetzreden sind keine Entschuldigung
„Er war aber auch ein Mensch mit antijüdischen Vorstellungen und Denkmustern, ein großer Geist, aus dessen Mund und Feder zugleich antijüdische Hetzreden flossen“, so Stäblein. Dass das in seiner Epoche und darüber hinaus lange zur christlichen Theologie gehörte, dürfe keine Entschuldigung sein. Und dass sich bei Luther gerade in frühen Schriften auch Worte voller Wertschätzung für den jüdischen Glauben finden, ändere nichts an seinen furchtbaren antisemitischen Aussagen.
Die evangelischen Kirchen hätten diese antijüdische Seite Luthers beim Reformationsjubiläum 2017 ausdrücklich benannt. Im Zentrum von Luthers Namen und Wirken wohne aber auch die Freiheit – für den Einzelnen und für Europa. Was der Reformator für die Kirche und die gesamteuropäische Kultur mit errungen und auf den Weg gebracht habe, sei Freiheit. „Dafür steht sein Name, auch für mich“, betonte Stäblein.
Daran zu erinnern verdiene nicht nur die Benennung von Kirchen, sondern auch von Straßen. „Luthers antijüdische Denkmuster müssen wir dabei bekennen und aufarbeiten. Das wäre konsequent in seinem Sinne: mit Luther gegen Luther für die Freiheit des anderen eintreten“, so Stäblein.
Laut Studie 290 problematische Straßen
Laut einer Studie im Auftrag des Berliner Antisemitismusbeauftragten Samuel Salzborn haben 290 Straßen- und Platznamen in Berlin problematische, antisemitische Bezüge. Der Studienautor Felix Sassmannshausen aus Leipzig empfahl bei der Vorstellung im Dezember 2021 eine gesellschaftliche Debatte und in einer Vielzahl der Fälle auch eine Umbenennung. Dazu gehören neben der Martin-Luther-Straße mit der Otto-Dibelius-Straße und dem Pastor-Niemöller-Platz weitere Namen berühmter evangelischer Theologen.
Die Studie hat eine kontroverse Debatte ausgelöst. Der Berliner Antisemitismusbeauftragte hat die Vorschläge wiederholt verteidigt. Ein Stadtplan sei kein Museum, sagte Salzborn der „Berliner Morgenpost“. Er teile nicht den Eindruck, dass durch Umbenennungen historische Erinnerungen verloren gingen.