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Übersicht über Missbrauchsstudien in den katholischen Bistümern

Mit Würzburg legt nun ein weiteres katholisches Bistum ein Missbrauchsgutachten vor. Es reiht sich ein in die seit der großen MHG-Studie 2018 getätigten Veröffentlichungen. In manchen Bistümern stehen sie aber noch aus.

Mit der 2018 veröffentlichten bundesweiten MHG-Studie wollte die katholische Kirche in Deutschland das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche ermitteln. Das interdisziplinäre Forschungsprojekt im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz hatte das Ziel, Formen des Missbrauchs zu beschreiben und kirchliche Strukturen und Dynamiken zu identifizieren, die Missbrauchsgeschehen begünstigen können. Seither haben viele deutsche Bistümer oder deren Unabhängige Aufarbeitungskommissionen eigene Studien in Auftrag gegeben. Ein Überblick der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA):

Als erstes deutsches Bistum hatte bereits 2010 die ein Gutachten durch die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) erstellen lassen. Im Januar 2022 folgte ein weiteres noch ausführlicheres, das sich auf die Jahre 1945 bis 2019 bezieht. Das Ergebnis sorgte weithin für Schlagzeilen, weil auch der frühere Papst Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger) belastet wurde. Die WSW-Anwälte warfen ihm Fehlverhalten in vier Fällen vor. Sie fielen in seine Amtszeit als Erzbischof von München und Freising (1977-1982). Er selbst bestritt die Vorwürfe bis zu seinem Tod an Silvester 2022.

Das hatte 2016 das sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut IPP mit der Untersuchung einzelner Missbrauchsfälle in der Diözese beauftragt. Das 2017 vorgestellte Gutachten wirft mehreren früheren und gegenwärtigen Verantwortlichen im Bistum schwere Versäumnisse vor. 2019 beauftragte das Bistum erneut Juristen und Sozialwissenschaftler mit der Untersuchung von Missbrauchsfällen während der Amtszeit von Bischof Heinrich Maria Janssen (1957-1982). Die im September 2021 vorgestellten Ergebnisse brachten im Vergleich zur MHG-Studie zehn neue Missbrauchsfälle ans Licht. Vorwürfe, dass sich Janssen selbst an Kindern vergangen haben soll, können beide Gutachten weder erhärten noch entkräften. Bischof Heiner Wilmer kündigte ein weiteres Aufarbeitungsprojekt an, das den Zeitraum von 1982 bis in die Gegenwart untersuchen soll.

Das beauftrage 2018 zunächst ebenfalls die Kanzlei WSW, in einem Gutachten zu prüfen, ob die Diözesanverantwortlichen bei Missbrauchsfällen im Einklang mit kirchlichem und staatlichem Recht handelten und ob ihr Vorgehen dem kirchlichen Selbstverständnis entsprach. Die für März 2020 geplante Vorstellung des Gutachtens sagte Kardinal Rainer Maria Woelki dann aber kurzfristig wegen “methodischer Mängel” ab. Der Kölner Strafrechtler Björn Gercke erhielt den Auftrag für ein neues Gutachten, das im März 2021 veröffentlicht wurde. Es wirft früheren und amtierenden Verantwortungsträgern der Erzdiözese insgesamt 75 Pflichtverletzungen vor.

Im Juni 2019 setzte das den Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber als unabhängigen Ermittler ein und beauftragte ihn mit einem auf zwei Jahre angelegten Aufklärungsprozess. Eine Studie für das Bistum von Weber sowie dem Rechtsanwalt Johannes Baumeister wurde im März 2023 vorgestellt. Es wirft den Vorgängern des aktuellen Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf – Albert Stohr (1935-1961) sowie den Kardinälen Hermann Volk (1962-1982) und Karl Lehmann (1983-2016) – schwere Versäumnisse im Umgang mit Opfern und Tätern von sexuellem Missbrauch vor.

Im Jahr 2020 legte dann wieder WSW ein Gutachten für das vor. Darin werden früheren Bischöfen und Generalvikaren Verfehlungen wie “unverdiente Milde” gegenüber verdächtigen und verurteilten Geistlichen vorgeworfen. Die Zahl der Betroffenen bis zum Jahr 2010 beläuft sich demnach auf 175, die der übergriffigen Geistlichen auf 81.

Im September 2019 startete das das Projekt “Betroffene hören – Missbrauch verhindern”. Dabei analysierten 70 Experten in neun Teilprojekten den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Diözese seit rund 70 Jahren. Das im Juni 2020 vorgestellte Gutachten zeigte eine “Ebene der Vertuschung” im Bistum und schlug 61 Maßnahmen vor, wie Missbrauch künftig verhindert werden könne. Im September 2023 gab es eine erste Bilanz zu den Vorschlägen, verbunden mit der Ansage, die Aufarbeitung sei auf einem guten Weg, aber noch lange nicht abgeschlossen.

Das veröffentlichte sein Gutachten im Januar und Juni 2021 in zwei Teilen. Es entschied bei der Bekanntgabe des Gutachtens Ende Januar, Details der Fälle von 61 beschuldigten Geistlichen und von mindestens 121 betroffenen Kindern und Jugendlichen zunächst nicht zu veröffentlichen, um Fragen des Datenschutzes zu klären. Dies betraf auch die dazu gehörenden Stellungnahmen von Personalverantwortlichen, unter anderem von Erzbischof Heiner Koch selbst, seinem Amtsvorgänger Rainer Maria Woelki sowie Weihbischof Matthias Heinrich. Erstellt wurde das Gutachten von der Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs.

Eine im Dezember 2021 im vorgestellte Studie attestierte den früheren Erzbischöfen Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt gravierendes Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchstätern unter den Geistlichen. Die von 1941 bis 2002 amtierenden Bischöfe hätten Beschuldigte geschützt und ihnen teils auch schriftlich Mitgefühl bekundet, heißt es in einem Zwischenergebnis der auf vier Jahre angelegten Studie, die vor allem historische Zusammenhänge, die Bewertungsmaßstäbe der Verantwortlichen und ihren Umgang mit Missbrauch rekonstruieren soll.

Im Juni 2022 wurde im eine historisch angelegte Studie veröffentlicht. Sie thematisiert die systemische Zusammenhänge in der Institution, Verantwortlichkeiten, die Sexualmoral sowie das Selbst- und Fremdbild von Klerikern und Laien. Den Studienautoren um die Geschichtswissenschaftler Thomas Großbölting und Klaus Große Kracht zufolge haben ehemalige und aktive Bischöfe große Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen begangen. Dem jüngst verabschiedeten Bischof Felix Genn bescheinigen sie zwar, den Umgang mit Missbrauchsfällen verändert zu haben. In seinen ersten Jahren sei er Tätern kirchenrechtlich aber nicht immer mit der gebotenen Strenge begegnet.

Auch das legte im September 2022 ein von der dortigen Universität angefertigtes Gutachten vor. Darin wurde auch der damals amtierende Bischof und stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz, Franz-Josef Bode, belastet. Gerade in der Kommunikation mit den Betroffenen wurden der Bistumsleitung Mängel vorgeworfen. Nachdem der damals dienstälteste Bischof in Deutschland zunächst einen Rücktritt ausschloss, trat Bode schließlich doch im Februar 2023 von seinem Amt zurück.

Das veröffentlichte im Dezember 2022 sowie im Juli 2024 Studien für die Zeit der früheren Bischöfe Bernhard Stein (1967-1980) und Hermann Josef Spital (1981-2001). Diese identifizierten 711 Betroffene und 234 mutmaßliche Täter. Erstellt wurden sie von Forschenden der Universität Trier. Für 2025 ist eine Gesamtstudie angekündigt.

Im Februar 2023 legte das Münchner Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) eine sozialwissenschaftliche Untersuchung zu Missbrauch im vor. Die Studie untersucht auch soziologische Zusammenhänge. So wurden etwa erstmals auch die Folgen des Umgangs mit Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs in den Kirchengemeinden untersucht. Eine Haupterkenntnis ist, dass das Ruhrbistum bis 2010 unzureichend oder gar nicht auf Verdachtsfälle reagiert habe. Im Oktober 2024 begannen Forscher zudem eine weitere soziologisch-historischen Studie, die Vorwürfe der sexualisierten Gewalt gegen den früheren Essener Bischof, Kardinal Franz Hengsbach (1910-1991), wissenschaftlich aufarbeiten soll. Sie ist auf drei Jahre angelegt.

Ebenfalls im Februar 2023 stellte ein Forschungsteam der Uni Ulm im Auftrag des eine Studie zu sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche in Mecklenburg vor. Dabei geht es erstmals auch um die Rolle des DDR-Regimes. Sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche Mecklenburgs während der DDR-Zeit wurde danach nicht nur von der Kirche, sondern auch vom Staat vertuscht. So habe es zwischen beiden Seiten inoffizielle Abkommen gegeben, Vorkommnisse unter der Decke zu halten oder Wiederholungstäter in den Westen abzuschieben.

Im legte die AG Aktenanalyse unter Leitung des ehemaligen OLG-Richters Eugen Endress und des ehemaligen Staatsanwalts Edgar Villwock im April 2023 ihren Abschlussbericht vor. Das 600-seitige Gutachten warf den früheren Erzbischöfen Oskar Saier (1978-2002) und Robert Zollitsch (2003-2013) schweres Fehlverhalten und gravierende Rechtsverstöße im Umgang mit Straftaten durch Priester vor. Beispielhaft dafür wurden 24 Fälle seit 1945 analysiert.

Für das wurde am 8. April 2025 ein Gutachten vorgestellt. Die dortige Unabhängige Aufarbeitungskommission hatte den Wiesbadener Rechtsanwalt Hendrik Schneider damit beauftragt. Eine weitere historische Studie erstellt ein Team der Universität Würzburg seit 2021 unter Leitung des Kirchenhistorikers Dominik Burkard.

Im will die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Sommer 2025 ihren Bericht vorstellen. Der 2021 eingesetzten Kommission gehören mehrere Juristen, eine Sozialarbeiterin, eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie an sowie zwei Betroffene aus dem gemeinsamen Betroffenenrat der Bistümer Fulda und Limburg. Ihre Aufgabe ist es, Fälle sexualisierter Gewalt im Bistum von 1946 bis in die Gegenwart aufzuarbeiten. Sie soll Zahlen erheben, den Umgang mit Betroffenen und Beschuldigten untersuchen und Missbrauch begünstigende Strukturen benennen.

Im erarbeitet die Universität Mannheim im Auftrag der Aufarbeitungskommission eine Studie unter Leitung der Historikerin Sylvia Schraut. Sie ist in zwei Teilprojekten angelegt, von denen sich das erste allgemeinen Strukturen, das zweite Einzelfallanalysen widmet. Die Veröffentlichung des Berichts zur ersten Teilstudie wird im April 2025 erwartet.

Für das sind seit Ende 2023 Psychologen der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität damit beschäftigt, sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und ihre Auswirkungen auf die Betroffenen sowie deren Familien zu erforschen.

Im erhielt im Juli 2022 der Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der örtlichen Universität den Auftrag für eine wissenschaftliche Untersuchung von sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch katholische Kleriker zwischen 1945 und 2020. Sie soll noch 2025 veröffentlicht werden.

Im begann die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen mit dem Fokus auf die Regensburger Domspatzen. 2016 stellte dazu der auch in Mainz tätige Rechtsanwalt Weber einen Bericht vor. 2019 folgten eine historische und eine kriminologische Studie. Seit 2024 ist Weber mit einer historischen und wissenschaftlichen Studie für das ganze Bistum befasst. Er hat dafür drei Jahre Zeit.

Im läuft seit Juli 2024 eine Studie zur Aufarbeitung von Missbrauch. Geleitet wird das Projekt von dem Kriminologen und Strafrechtler Stefan Harrendorf aus Greifswald und der Berliner Rechtspsychologin Renate Volbert und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission des Erzbistums. Sie soll Ende 2026 fertig sein.

Im hat sich die Unabhängige Aufarbeitungskommission bisher vor allem um einen mutmaßlichen Intensivtäter gekümmert, der sich unter Mithilfe der Bistumsleitung im Ausland der Strafverfolgung entziehen konnte. Im August 2022 gab es zu dem Fall einen Zwischenbericht. Ein Rechtsgutachten soll folgen. Außerdem werde weiterhin ein Aufarbeitungsprojekt für die Diözese vorbereitet, heißt es auf der Internetseite der Kommission.