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TV-Star Margarita Broich über Weihnachten, Kirche und gute Laune

Die meisten kennen die Schauspielerin Margarita Broich vermutlich vor allem als Frankfurter “Tatort”-Kommissarin Anna Janneke. Aber sie kann auch Schauspiel – und Weihnachtsfilme.

Margarita Broich – alias “Tatort”-Kommissarin Anna Janneke – ermittelte zusammen mit Wolfram Koch neun Jahre lang zwischen Frankfurter Banken- und Bahnhofsviertel, Lobbyisten und Obdachlosen. Dabei kommt die 65-Jährige ursprünglich vom Theater, und es scheint kaum eine deutsche Regiegröße des 20. Jahrhunderts zu geben, mit der sie nicht zusammengearbeitet hätte: Einar Schleef, Heiner Müller, George Tabori oder Christoph Schlingensief.

Jetzt ist Broich in zwei Weihnachtsfilmen zu sehen: In der Komödie “Weihnachtsüberraschungen”, die die ARD am 12.12. ausstrahlt, spielt sie zusammen mit Harald Krassnitzer ein spätes Liebesglück, das unterm Weihnachtsbaum enthüllt wird. In der Krimikomödie “Dahlmanns letzte Bescherung”, die am 22.12. im ZDF zu sehen sein wird, ist sie eine Witwe unter Mordverdacht.

Ein Gespräch über, natürlich, Weihnachten, ihre Wiederannäherung an die Kirche, heftige Theatererinnerungen – und darüber, was ihre fröhliche Art mit den Depressionen ihrer Eltern zu tun hat.

Frage: Frau Broich, im Film “Weihnachtsüberraschungen” spielen Sie die Friseurin Ellen, die mit großer Fröhlichkeit versucht, ihre (Patchwork-)Familie zusammenzuhalten. Wie nahe ist Ihnen diese Figur?

Antwort: Ellen war mir recht nah. Ich mochte, dass sie sich für die Familie ziemlich aufopfert, aber gleichzeitig auch über sich selbst nachdenkt und sich in ihren Nachbarn verliebt. Vor allem ist sie eine Frau, die versucht, alles auszugleichen und aufzufangen, damit das Ganze funktioniert. Das habe ich, glaube ich, auch in mir. Ich habe ja selbst eine Patchwork-Familie, deshalb kenne ich viele der Situationen gut.

Frage: Haben Sie Tipps, wie Patchwork gut gelingen kann?

Antwort: Patchwork funktioniert, wenn alle ein bisschen zurückstecken, und versuchen, Verständnis füreinander zu behalten. Man darf einfach nicht vergessen, wie toll man den anderen fand – dann ist es, glaube ich, relativ einfach, auch nach einer Trennung noch gut miteinander umzugehen. Bei Martin und mir war das zum Glück keine Sekunde lang ein Problem.

Frage: “Weihnachtsüberraschungen” verhandelt auch die unterschiedlichen Weihnachtsvorlieben. Worauf können Sie an Weihnachten nicht verzichten?

Antwort: Familie und Freunde! Wir feiern Weihnachten in großer Runde zusammen, seit mein ältester Sohn vor 34 Jahren auf die Welt kam. Zu Bescherung und Abendessen sind wir ungefähr 30, natürlich Martin Wuttke, der Papa meiner Kinder, mein Mann und viele andere, die zu unserer Patchwork-Familie gehören. Dazu kommen noch Freunde, die uns seit vielen Jahren begleiten. Das ist ein großes Fest. Später kommen noch mehr Freunde dazu. Das ist meine große Wahlverwandtschaft! Auf die möchte ich nicht verzichten, und ohne die hätte ich auch meine Kinder nicht groß bekommen.

Frage: Hat das Fest für Sie eine religiöse Bedeutung?

Antwort: Ich gehe an Weihnachten natürlich auch in die Kirche. Das ist mir seit Kindertagen vertraut. Ich suche dann einen Pfarrer oder eine Pfarrerin, die mich anspricht. Das ist nicht einfach. Ich gehe gleichwohl oft in den Gottesdienst. Ganz wichtig ist für mich Kirchenmusik: Die hat etwas Sphärisches, kann einen so mitnehmen einmal die Woche. Dass man einfach mal die Füße still hält, den Mund zumacht und zuhört.

Frage: Sie sind sehr religiös aufgewachsen, haben vieles rund um Kirche als negativ empfunden. Wie ist Ihr aktuelles Verhältnis zum Glauben?

Antwort: Mein Mann hat mich ein bisschen an die Hand genommen. Er geht jeden Sonntag in die Kirche. Ich bin dabei. Daher bin ich da jetzt eher auf dem Nachhauseweg, nicht auf dem Fluchtweg. Im Westerwald, wo ich aufgewachsen bin, gibt es viele Klöster, und unser Haus stand innerhalb von Klostermauern, mein Vater war dort Arzt. Ich hatte eine recht strenge katholische Erziehung. Jede Woche musste ich beichten. Immer fühlte man sich schuldig.

Wenn man so katholisch geprägt wurde, wird man das auch nicht mehr so ganz los – im positiven wie im negativen Sinne. Wenn es mir besonders gut geht, habe ich immer sofort Angst, dass mir gleich irgendwas auf den Kopf fällt. Trotzdem finde ich es wichtig, dass man über christliche Werte nachdenkt und sie lebt. Gerade in dieser Zeit, in der sich vieles zum Schlechteren verändert. Ich möchte, dass wir uns der Schwächeren annehmen, in Flüchtlingen nicht eine Bedrohung sehen, Gewalt verachten und unseren toleranten Lebensstil fröhlich vertreten.

Frage: Sie sind eine Wandlerin zwischen den Welten, haben unter weltbekannten Regisseuren Theater gespielt, Kinofilme gedreht, aber zuletzt eben auch viel Fernsehen…

Antwort: Ich habe das Theater geliebt, aber mir ging es auch um meine Lebensqualität. Im Theater bekommt man meist nur die Tür an den Kopf! Beim Film oder Fernsehen kommt man ans Set und wird gefragt, ob man einen Tee möchte. Aber Theater und Film unterscheiden sich nicht nur darin, auch das Spielen ist ganz anders. Im Theater agiert man immer im Team, das Publikum ist weit entfernt. Im Film bist Du mit der Kamera allein – und sie ist Dir sehr nah. Das sind zwei unterschiedliche Welten, die eigentlich auch ganz unterschiedliche Talente erfordern.

Frage: Sie scheinen aber in beiden gut zu funktionieren…

Antwort: Das Arbeiten am Film macht mir Spaß. Am Theater bin ich durch die alte Schule gegangen, das möchte ich auch nicht missen. Vor einer Premiere kümmert man sich um nichts anderes, schaut, dass die Kinder das irgendwie überstehen, opfert alles. Bei den Proben wurde gebrüllt, viel gebrüllt. Diese großen Namen waren Berserker: Stein, Peymann, Zadek. Heute ist das anders! Mein Sohn arbeitet jetzt als Regisseur in Basel. Und jedes Mal, wenn ich zur Premiere fahre, denke ich, oh Gott, jetzt sind die alle zerstritten. Aber jedes Mal komme ich da hin, und die sind gut drauf! Also, es geht auch anders (lacht)!

Frage: Wenn man sich Fotos von Ihnen ansieht oder mit Ihnen spricht, hat man den Eindruck, dass Sie ein sehr fröhlicher Mensch sind. Stimmt dieser Eindruck?

Antwort: Das ist die Rheinländerin in mir (lacht)! Ich habe wohl ein Unterhaltungsgen. Das ist aber nur da, wenn bei mir alles gut ist. Wenn ich größere Sorgen habe, dann bleibt nicht viel davon übrig. Schlechte Laune mag ich nicht, weder bei mir noch bei anderen. Je älter ich werde, ärgere ich mich immer mehr, wenn ich zum Beispiel im Supermarkt angepflaumt werde, jemand ohne Grund unfreundlich ist. Ich finde, alle müssen sich ein bisschen bemühen, die Stimmung einigermaßen hochzuhalten.

Ich habe mir als Kind abgewöhnt, mich hängen zu lassen: Meine Eltern hatten beide starke Depressionen; man könnte sagen, ich komme aus einer großen depressiven Dynastie. Auch wenn es aussichtslos ist, jemanden, der wirklich depressiv ist, aufzumuntern und man diese Batterien nicht von außen auffüllen kann. Ich habe immer eine Verantwortung gefühlt, Freude zu verbreiten. Gerade weil ich die Jüngste und auch die Letzte war, die von zuhause weggezogen ist. Diese Erfahrung hat mich sicher geprägt.