Als Investigativjournalist begleitet Günter Wallraff seit Jahrzehnten das politische Geschehen der Bundesrepublik. Die Lage in den USA findet er bedenklich – auch für Deutschland.
Angesichts der Lage in den USA fordert der Journalist Günter Wallraff (82) alle Demokraten in Deutschland auf, parteiübergreifend zusammenzustehen: “Täglich kommen Einschüchterungen aus dem neuen Reich des Despotismus – ernstzunehmende Politikwissenschaftler sprechen bereits von Faschismus.” Deutschland sitze in Schockstarre wie Kaninchen vor der “zweiköpfigen Trump-Musk-Würge-Schlange”, so Wallraff im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Bei deren Allmachtsfantasien und dem Personenkult um den US-Präsidenten und seinen milliardenschweren Beratern fühle er sich an “Cäsaren-Größenwahn des alten Roms” erinnert, so Wallraff weiter. Dass sich Musk und auch andere Tech-Milliardäre wie der Amazon-Gründer und Eigentümer der “Washington Post”, Jeff Bezos, oder der Facebook-Chef Mark Zuckerberg Trump derart unterwerfen würde, beunruhige ihn sehr. Gerade bei Themen wie Diversity oder Inklusion erlebe man derzeit eine freiwillige Selbstzensur.
Gleichzeitig finde in den Sozialen Medien unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit ein “demokratiezersetzender Dauerangriff” statt: “Der Begriff ‘Desinformation’ ist noch eine Verharmlosung. Es ist eine Art von Kriegsführung in den Köpfen”, beklagt Wallraff. In Deutschland gebe es zwar noch Wettstreit und Vielfalt der Medien, aber in anderen europäische Staaten wie Ungarn oder Italien bröckele das schon gewaltig.
Dass die Glaubwürdigkeit des Journalismus, den Wallraff als Grundsäule der Demokratie bezeichnet, auch in Deutschland sinke, liege auch daran, dass wenige Menschen aus Arbeiterfamilien in den Medien arbeiten: “Wir leben mehr und mehr in einer Klassengesellschaft. Bei unseren Berufspolitikern im Bundestag gibt es so gut wie keinen mehr aus einer Arbeiterfamilie. Im Journalismus spiegelt sich diese Situation”, so Wallraff. Das müsse zwar nicht direkt negative Auswirkungen haben, aber es sei schwierig, authentisch über eine Lebenssituation zu berichten, die einem fremd sei.
Günter Wallraff arbeitet seit den 1970er als Journalist und Reporter. Berühmt wurde er durch seine Recherchen in Industriebetrieben, für die er sich unter falschen Identitäten – darunter auch eine Verkleidung als türkischer Gastarbeiter – in Fabriken und Unternehmen anstellen ließ und anschließend über seine Erfahrungen berichtete. 1977 arbeitete er unerkannt für dreieinhalb Monaten in der Redaktion der “Bild”-Zeitung in Hannover und deckte ethisch fragwürdige Recherchemethoden und Unsauberkeiten des Mediums auf. Seit 2012 ist Wallraff für RTL unterwegs und ist an der Sendung “Team Wallraff – Reporter undercover” beteiligt, die mithilfe von Undercover-Recherchen in Unternehmen recherchiert und in der vergangenen Woche Hygienemängel bei der Discounter-Kette Kaufland aufgedeckt hat.