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Trauerbänke: Reden über Tod und Einsamkeit

„Trostbank“ – weiße Großbuchstaben machen auf den Zweck der robusten Eichenholzbank aufmerksam. Sie prangen gut sichtbar auf dem Schild an der Rückenlehne, ebenso eine Handynummer und ein QR-Code. In einem transparenten Kasten stecken Flyer, auf der Erde steht eine Laterne mit einem Grablicht darin. Darüber breitet eine Ulme ihre Äste aus.

Wer auf der Bank Platz nimmt, hat fast alle Gräber des kleinen Friedhofs der katholischen Kirchengemeinde St. Martinus in Bramsche bei Osnabrück im Blick. „Ich habe meistens eine Thermoskanne mit Tee und eine Dose mit Keksen dabei, wenn ich hier Gesprächszeiten anbiete“, sagt Grit Beimdiek, Vorsitzende des Hospizvereins Bramsche.

Auf ihre Initiative hin hat der Verein vor anderthalb Jahren fünf solcher „Trostbänke“ aus Eichenholz in der Stadt aufgestellt – auf Friedhöfen, im Friedwald und an einem kleinen See. Einmal pro Monat stehen dort Ehrenamtliche zu festen Zeiten für Gespräche bereit. Sie erfahren dann vom kürzlich verstorbenen Ehepartner, von der nicht enden wollenden Trauer über den Tod eines Kindes oder vom Leid der Einsamkeit. „Manchmal kommen Menschen, die sagen: ‚Wie schön, dass Sie da sind. Ich habe heute noch mit niemandem gesprochen‘“, berichtet Beimdiek.

Wer im Internet sucht, stößt auf viele ähnliche Projekte, meist unter dem Label „Trauerbank“. So haben etwa der Caritasverband in Gießen, der Hospiz- und Palliativverein in Gütersloh und der Malteser-Hospizdienst in Darmstadt Trauerbänke auf Friedhöfen und in einem Stadtpark aufgestellt.

„Trauerbänke sind ein noch relativ junges Angebot der immer stärker nachgefragten Trauerbegleitung“, sagt Stefanie Garbade aus Osterholz-Scharmbeck vom Vorstand des Bundesverbands Trauerbegleitung. Vor allem seit der Corona-Pandemie hätten sie sich verbreitet, als Treffen in geschlossenen Räumen kaum möglich gewesen seien, ergänzt die Co-Vorstandsvorsitzende Marei Rascher-Held aus Karlsruhe.

„Heute gibt es in fast allen Städten Trauercafés, Trauerwanderungen und -spaziergänge, Trauergruppen, Trauerreisen und eben auch Trauerbänke. Das hat etwas mit unserer Gesellschaft zu tun“, sagt Garbade. Jeder dritte Haushalt sei ein Single-Haushalt. Die Generationen wohnten nicht mehr wie einst unter einem Dach. „Wenn der Partner stirbt oder ein Kind, sind die Menschen allein, brauchen aber jemanden zum Reden.“

Auch Rituale, die der Trauer Raum und Zeit gäben, kämen den Menschen zunehmend abhanden, meint Garbade. Trauerfeiern mit anschließendem Kaffeetrinken gebe es immer seltener. Das traditionelle Trauerjahr sei kaum noch sichtbar. Zudem stießen Trauernde in einer auf Spaß getrimmten Gesellschaft auf wenig Verständnis. Vor allem, wer länger trauere, höre oft: „Jetzt muss es auch gut sein. Wie lange willst du denn noch trauern? Es ist doch schon ein halbes Jahr her. Lach doch mal wieder.“

Trauernde bräuchten Menschen, die ihnen zuhörten, ohne zu bewerten, die auch Schweigen und Weinen aushalten könnten, sagt Rascher-Held. Trauerbänke seien ein besonders niedrigschwelliges Angebot der Trauerbegleitung: „In einem Hospiz oder bei einem Verein anzurufen, erfordert Mut, den Trauernde nicht immer aufbringen.“

Auch in Bramsche warten an manchen Tagen schon Menschen vor Beginn der Gesprächszeiten auf die Ehrenamtlichen, erzählt Grit Beimdiek. Einigen reiche ein einziges Gespräch, andere kämen eine Zeit lang regelmäßig. Wie die Frau, deren Sohn ganz plötzlich gestorben ist. „Je häufiger sie davon erzählt, desto bewusster wird ihr, dass ihr Sohn nicht wiederkommt. Und desto mehr Mut kann sie fassen, trotzdem weiterzumachen – wenn wir ihr gut zusprechen.“

Sogar außerhalb der Betreuungszeiten finden Trauernde an der Bank Hilfe. Über die Handynummer sind ausgebildete Trauerbegleiter rund um die Uhr zu erreichen. Über den QR-Code können die Besucher „Trostgeschichten“ anhören. Sie erzählen davon, wie Trost duftet, vom Dialog mit der gestorbenen Freundin oder von einer Pflanze, die Hoffnung schenkt, wie Beimdiek erzählt.

An diesem Tag sind nur wenige Besucher auf dem Friedhof. Eine alte Frau harkt Laub vom Grab ihrer Eltern. „Wenn ich mal traurig bin, werde ich von meiner Familie aufgefangen“, sagt die 84-Jährige. „Meine vier Urenkel halten mich auf Trab“, ergänzt sie, und ihre Augen leuchten. Aber sie sehe viele alte Menschen, die allein seien und auf der Trostbank Platz nähmen.

Darin, dass auch Menschen, die gerade keine Hilfe benötigten, auf das Angebot aufmerksam werden, sieht Beimdiek einen positiven Nebeneffekt: „Wir Hospizvereine kranken häufig daran, dass wir nicht im Fokus stehen. Und dann erreichen wir die Menschen nicht, die uns brauchen. Wenn es dann eine einfache Bank ist, durch die wir bekannter werden, ist das doch super.“

Zum Schluss erzählt die Vorsitzende noch von einer Trauernden, die wissen wollte, ob es okay sei, dass sie sich aus ihrem sozialen Umfeld zurückziehe. „Sie brauchte die Bestätigung, dass ihre Art zu trauern in Ordnung ist. Am Ende hat sie gesagt: Wie gut, dass ich heute hier war.“