Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hat Vorwürfe eines Behördenversagens im Fall des mutmaßlichen Tötungsdelikts in Friedland zurückgewiesen. Alle Beschäftigten der Landesaufnahmebehörde, der Polizei und der Justiz „haben ihre Entscheidungen auf Grundlage der Fakten getroffen, die zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt vorlagen“, sagte sie am Mittwoch im Landtag in einer Aktuellen Stunde zum Fall Friedland auf Antrag der CDU-Fraktion.
Tatverdächtig in dem Fall ist ein abgelehnter Asylbewerber aus dem Irak. Laut Staatsanwaltschaft soll er am 11. August eine junge Frau vorsätzlich gegen einen fahrenden Güterzug gestoßen haben. Der Mann hätte nach den Dublin-Regeln längst nach Litauen abgeschoben werden sollen. Noch im Juli lehnte ein Gericht einen Antrag der Ausländerbehörde auf Abschiebehaft ab. Nach übereinstimmenden Medienberichten soll der Mann bereits mehrfach psychisch auffällig geworden sein und Frauen belästigt haben. Er ist derzeit im psychiatrischen Maßregelvollzug in Göttingen untergebracht.
Behrens reagierte auf die scharfe Kritik der Parlamentarischen Geschäftsführerin der CDU-Fraktion, Carina Hermann. Diese warf der Ministerin vor, ihrer politischen Verantwortung in dem Fall nicht gerecht zu werden, und forderte „klare politische Signale zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger“.
Die Ministerin räumte ein: Viele Menschen fragten sich, ob man den Beschuldigten nicht früher als gefährlich hätte erkennen müssen. Sie gab jedoch zu bedenken: „Weder bei der Polizei noch bei der Landesaufnahmebehörde gab es Hinweise auf eine derart ausgeprägte Gewaltbereitschaft oder derart starke psychische Auffälligkeiten, die gerechtfertigt hätten, den heute dringend Tatverdächtigen präventiv aus dem Verkehr zu ziehen.“
Indes prüfe die Landesregierung, „wo Verbesserungen auch im Verwaltungshandeln und im Rechtsrahmen notwendig sind“, sagte die Ministerin und verwies auf die geplante Novelle des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke. Die Gesetzesänderung soll einen verbesserten Informationsaustausch zwischen Gesundheitseinrichtungen und Sicherheits- und Ermittlungsbehörden ermöglichen.
Der Fall zeige außerdem, dass das Dublin-System nicht funktioniere, sagte Behrens. „In diesem Verfahren sind zu viele Behörden mit zu vielen Schnittstellen befasst, nur um Personen innerhalb der EU an andere Mitgliedsstaaten zu überstellen.“ Sie unterstütze daher die von der Bundesregierung laut Koalitionsvertrag geplanten Bundesausreisezentren für Dublin-Flüchtlinge. Die CDU fordert die Einrichtung eines solchen Zentrums in Niedersachsen ebenfalls.