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Thomas Müntzer: Radikaler Theologe auf Seite der Bauern

Am 27. Mai 1525 wurde Thomas Müntzer (um 1489-1525) vor den Toren des thüringischen Mühlhausen zur Richtstätte geführt, sein Kopf später zur Abschreckung auf einen Pfahl aufgespießt und öffentlich zur Schau gestellt. Im Bauernkrieg kannte der siegreiche Adel nur wenig Gnade mit den Aufständischen. Und Müntzer, dieser radikale Theologe, hatte die Herrschaft der Fürsten herausgefordert.

Der reformatorische Pfarrer von St. Marien in Mühlhausen wollte eine „gottgefällige“ Regierungsführung, die die verzweifelte Situation der Bauern in den Blick nahm. Knapp zwei Wochen vor seiner Hinrichtung war er mit den Bauern in die Schlacht bei Frankenhausen gezogen. In vielen mittel- und süddeutschen Regionen erhoben sich 1524/25 Bauern gegen politische und soziale Repressionen durch ihre Landesherren, gegen Abgaben und die Beschneidung von Rechten.

Die Schlacht bei Frankenhausen sollte eine vernichtende Niederlage für die Aufständischen werden, das Fürstenheer tötete rund 6.000 Menschen. Müntzer wurde gefangengenommen und vor seiner Enthauptung gefoltert. Der Protest der Bauern in Mitteldeutschland, der in der DDR-Forschung als „frühbürgerliche Revolution“ gedeutet wurde, war niedergeschlagen.

Müntzer war Reformator wie Martin Luther (1483-1546). Aber: „Martin Luther sah die Hinrichtung Müntzers als durchaus gerechtfertigt an“, sagt der Historiker und Vorsitzende der Thomas Müntzer-Gesellschaft, Thomas Müller. Bereits wenige Tage vor der Schlacht hatte der Wittenberger die Schrift „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“ verfasst, mit der er sich direkt an die Fürsten wandte. Eindringlich rief Luther darin die Landesherren dazu auf, die Aufständischen zu töten und zu strafen. Dies sei Gottes Wille.

„Die Bauernaufstände gefährdeten Luthers Reformation“, sagt Müller zur Begründung. Die aufständischen Bauern beriefen sich unter anderem auch auf die Schriften Martin Luthers, darunter „Von der Freiheit eines Christenmenschen“. „Doch dieser wusste, dass ‘seine’ Reformation nur mit Unterstützung der protestantischen Fürsten Erfolg haben könne. Er brauchte deren Schutz gegen die altgläubige, wir würden heute sagen, die katholische Seite.“ Indem Luther sich von Thomas Müntzer distanzierte, hielt er das Bündnis mit den Fürsten aufrecht.

Dabei waren beide Männer noch bis 1520 enge Weggefährten. Vermutlich im Jahr 1489 in Stolberg im Harz geboren, hatte Müntzer in Leipzig und Frankfurt an der Oder studiert und war 1513 zum Priester geweiht worden. Früh kam er mit Luther und dessen Lehren in Kontakt.

Theologisch seien sie jedoch rasch in unterschiedliche Richtungen gegangen, sagt Christan Beuchel, Superintendent im Kirchenkreis Mühlhausen. Müntzers Theologie forderte eine gesellschaftliche Umgestaltung und ging von einer direkten Verbindung zwischen Gott und den Gläubigen aus: Nicht mehr die Bibel, wie von Luther gelehrt, offenbart demnach Gottes Wort. Vielmehr wendet sich Gott in der Verkörperung des Heiligen Geistes in Visionen und Träumen direkt an die Menschen. „Er kam von der Mystik“, sagt Beuchel über Müntzer.

In der heutigen Superintendentur gegenüber der Mühlhäuser Marienkirche hat Müntzer die letzten zwei Monate seines Lebens gewohnt. Drei kleine Fenster lassen etwas Licht in den Raum im Erdgeschoss des Gebäudes, in dem jetzt Beuchels Arbeitszimmer ist. Die dunklen Wände aus großen, behauenen Natursteinen schlucken einen guten Teil des einfallenden Lichts.

Historiker Müller, der nach langen Jahren als Chef der Mühlhäuser Museen seit 2023 den Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt als Direktor vorsteht, sagt, Müntzer sei wie viele seiner Zeitgenossen von Endzeiterwartungen getrieben gewesen. Darauf habe er seine radikale Theologie aufgebaut: Nur jener dürfe das nahende Himmelreich erwarten, der gegen den „Unglauben“ im Christentum vorgehe. Mit seiner Radikalität sei er zur Gefahr für den Adel und auch die protestantischen Fürsten geworden. „Aber anders, als dies später so oft behauptet wurde, war er nie der militärische Kopf eines Bauernheers oder gar einer Revolution – er war, und so sah er sich auch selbst, vor allem Theologe.“

Thomas Müntzer – ein Bauernopfer für die lutherische Reformation? „Die Theologen in Wittenberg hatten jedenfalls ein Interesse daran, ihn – auch gegen besseres Wissen – zum alleinigen Anführer der Aufständischen zu machen und sich selbst damit von jeder Mitschuld, welche ihnen von den Katholiken durchaus zugeschrieben wurde, reinzuwaschen“, sagt Müller. Historische Quellen, die Müntzers Rolle als Bauernführer belegen würden, kenne er jedenfalls nicht. Die Führung in der Schlacht von Bad Frankenhausen hätten angeheuerte Landsknechte übernommen.

Beuchel hingegen sieht in Müntzer sehr wohl eine wichtige Persönlichkeit des Bauernaufstands in Mitteldeutschland. „Er war ein Unruhegeist“, sagt Beuchel, „Müntzer war in den letzten zehn Jahren seines Lebens an 25 Orten, musste fliehen, wurde vertrieben und ausgewiesen.“ Aber er sei eine Persönlichkeit gewesen, dessen Wort Gewicht bei seinen Zeitgenossen gehabt habe. Denn Müntzer habe das Leid der Bauern und niederen Stände gesehen.