Was Christen glauben, hat im Jahr 325 eine Versammlung von Kirchenführern festgelegt. Das Ergebnis gilt bis heute. Was das bedeutet, darüber diskutieren Theologen derzeit in Rom. Einer von ihnen ist Michael Seewald.
An der Päpstlichen Universität Gregoriana diskutieren Theologen aus vier Kontinenten in dieser Woche über das Glaubensbekenntnis, das beim Konzil von Nizäa festgelegt wurde. Michael Seewald, ein Teilnehmer aus Deutschland, erklärt im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), warum er das Ergebnis bis heute für einen Glücksfall hält.
Frage: Das Konzil von Nizäa hat vor 1.700 Jahren getagt. Das dort formulierte Credo hat bis heute Einfluss auf den christlichen Glauben. Warum lohnt es sich, über dieses Konzil im 21. Jahrhundert noch zu diskutieren?
Antwort: Das Konzil von Nizäa hat im Jahr 325 das Glaubensbekenntnis formuliert, das bis heute katholische, orthodoxe und die meisten protestantischen Kirchen als Grundlage anerkennen. Es lohnt sich, dieses Credo im konstruktiven Sinne zu hinterfragen und darüber nachzudenken, was in dem Bekenntnis ausgesagt wird.
Frage: Und wie ist es zu dieser herausragenden Bedeutung gekommen?
Antwort: Das Credo von Nizäa konnte sich nicht sofort durchsetzen. Kaiser Konstantin hat sich bald nach dem Konzil auf die Gegenseite, zu den Arianern, geschlagen. Die Arianer lehnten die Vorstellung ab, dass Jesus Christus im selben Sinne Gott ist wie der Vater. Erst am Ende des vierten Jahrhunderts, vor allem durch das Konzil von Konstantinopel, war das Credo von Nizäa dann weitgehend akzeptiert. Das war ein theologischer Glücksfall.
Frage: Inwiefern Glücksfall?
Antwort: Es war ein Glücksfall, weil Nizäa geklärt hat, dass wir es bei Jesus Christus nicht mit einer Art Zwischenwesen zu tun haben, sondern mit Gott selbst. Diese Einsicht ist für das christliche Selbstverständnis entscheidend, um Erlösung denken zu können. In Jesus wird Gott Mensch, das heißt: In ihm vollzieht er sein Gottsein unter menschlichen Bedingungen. Das ist das Große und das Bleibende, das dieses Konzils vor 1.700 Jahren formuliert hat.
Frage: Was bedeutet Nizäa heute für die Ökumene unter den Kirchen?
Antwort: Die Bedeutung liegt darin, dass fast alle christlichen Kirchen in diesem Glaubensbekenntnis einen gemeinsamen Bezugspunkt haben, der für sie normativ ist. Und das gilt, obwohl es zwischen den Konfessionen und auch innerhalb der Konfessionen sehr unterschiedliche Interpretationen gibt, was das Glaubensbekenntnis von Nizäa bedeutet.
Frage: Das Credo von Nizäa ist für die christlichen Kirchen etwas Verbindendes. Aber trennt es nicht gleichzeitig in aller Schärfe Christen und Juden?
Antwort: Es gibt tatsächlich die Theorie, dass Nizäa entscheidend war für den schon länger begonnenen Trennungsprozess zwischen der Alten Kirche und dem spätantiken Judentum. Spätestens ab Nizäa gehen die beiden klar getrennte Wege. Ähnlich ist es im Verhältnis zum Islam: Der Islam wies die Vorstellung, dass Gott einen Sohn habe, von Anfang an zurück. Dadurch grenzte er sich vom Christentum ab.
Frage: In Nizäa ging es auch noch um ein anderes Thema: Das Osterdatum. Damals fand man eine gemeinsame Formel für die gesamte Christenheit. Diese Einheit ist aufgrund der späteren Kalenderreformen zerbrochen. Wird das Jubiläum uns einem gemeinsamen Osterdatum wieder näherbringen?
Antwort: Nizäa kann uns bei dieser Suche inspirieren. Aber realpolitisch bin ich skeptisch, ob es gelingt, ein gemeinsames Osterdatum zu finden. Selbst wenn der Papst, der Patriarch von Konstantinopel und andere Patriarchen sich auf eine gemeinsame Berechnung einigen, bleiben immer noch die Osterdaten in den weltlichen Kalendern. Und ob die dann umgestellt würden, das bezweifle ich doch sehr.