Von Ulrich Frey
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will 30 atomwaffenfähige US-amerikanische taktische Kampfflugzeuge vom Typ F-18F für mehrere Milliarden Euro anschaffen und damit ab 2030 veraltete Tornado-Kampfjets ersetzen. Der Kauf neuer atomwaffenfähiger Flugzeuge würde Deutschlands Rolle im Rahmen der "nuklearen Teilhabe" der NATO auf Jahrzehnte fortschreiben. Deren technische Komponente ist die Bereitstellung europäischer Trägersysteme für den Einsatz und die Lagerung von US-Atomwaffen. Zur politischen Teilhabe gehört die Mitwirkung in NATO-Gremien zum Austausch von Informationen, Planungen und Entscheidungen in nuklearen Fragen. Wenn Deutschland technisch aus der nuklearen Teilhabe ausscheidet, kann es weiterhin politisch an der NATO teilhaben. Diesen Weg haben Kanada und Griechenland gewählt. Sie lagern keine amerikanischen Atomwaffen, bleiben aber politisch aktive Mitglieder der NATO.
Piloten der Luftwaffe der Bundeswehr sollen in den neuen Kampfjets Atombomben vom Fliegerhorst Büchel aus in das Ziel bringen. Abgeworfen würden zielgenauere, zerstörerische und flexiblere Bomben vom neuen Typ B61-12 (alter Typ: B61-4). Die Sprengkraft reicht von 0,3 bis 50 Kilotonnen. Die in Hiroshima 1945 detonierte Bombe hatte eine Sprengkraft von "nur" 13 Kilotonnen. In Hiroshima und Nagasaki starben bis 1950 etwa 230.000 Menschen. Deutschland wäre im Falle eines atomar geführten Krieges vollständig zerstört und verwüstet. Zudem verfügen die USA über U-Boote, die von See aus atomar bestückte strategische und substrategische Raketen abfeuern können.
Eine öffentliche Debatte dazu hat – aus gutem Grund – Rolf Mützenich, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, nun angestoßen. In repräsentativen Umfragen hat sich die große Mehrheit der Deutschen gegen den Flugzeug-Kauf ausgesprochen. Schon im März 2010 hatte der Bundestag mit den Stimmen von Union, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen, die Bundesregierung solle sich „mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einsetzen“. Laut dem aktuellen Koalitionsvertrag wollen sich CDU/CSU und SPD „für die weltweite verifizierbare Abrüstung von allen Massenvernichtungswaffen“ einsetzen. Die EKD-Synode 2019 forderte ein "weltweites Moratorium der Modernisierung der Atomwaffen".
Der Kauf der Flugzeuge ist aus mehreren Gründen überflüssig und schädlich. Zum einen sind die USA mit ihren strategischen atomar bestückten U-Booten nicht auf F-18F-Flugzeuge in Deutschland angewiesen. Zum anderen kann die Bundesrepublik in der NATO bleiben, auch ohne Atomwaffen auf ihrem Boden bunkern zu müssen. Nicht zuletzt sind die Milliarden Euro zu Zeiten der Corona-Krise besser anderweitig angelegt. Wir brauchen neue multilaterale Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge, keine Kampfflugzeuge. Atomwaffenfähige Flugzeuge, die "nukleare Teilhabe" und die Strategie der atomaren Abschreckung sind die teuflische Dreifaltigkeit einer unbegrenzten Massenvernichtung jeglichen Lebens. Dringlicher für unser Überleben und unsere Sicherheit sind globale Gerechtigkeit, effektiver Klimaschutz, gewaltfreie Konfliktbearbeitung und die Stärkung von multilateralen Organisationen.Martin Niemöllers Aussage bleibt zeitlos aktuell: "Ich persönlich könnte mir keine Situation vorstellen, in der ich auf die Frage: ‘Herr, was willst du, dass ich tun soll?’ von Gott die Antwort erhielte: ‘Wirf eine Atombombe!’"
Ulrich Frey ist Mitglied im Vorstand der Martin-Niemöller-Stiftung. Er war bis 2000 Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF). Er lebt in Bad Honnef.