Artikel teilen:

Terrorprozess am Rande der Stadt

Am Oberlandesgericht Frankfurt am Main beginnt am Dienstag die Hauptverhandlung gegen die mutmaßlichen Rädelsführer der Terrorgruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Den neun Angeklagten werden nach Angaben des Gerichts die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie die Planung eines gewaltsamen Angriffs auf das Reichstagsgebäude in Berlin vorgeworfen. Insgesamt sind 26 Mitglieder der Terrorgruppe angeklagt: Bereits seit Ende April müssen sich neun Angeklagte des „militärischen Arms“ der Gruppe vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart verantworten. In München beginnt der Prozess gegen acht Angeklagte am 18. Juni.

Für die Hauptverhandlung in Frankfurt mussten zunächst Bagger anrollen. Die Gerichtsräume in der Frankfurter Innenstadt sind nicht geeignet für einen solchen Mammutprozess, auch weil die Justizgebäude in den nächsten Monaten saniert, um- und neu gebaut werden. Das Oberlandesgericht hat deshalb eine Außenstelle am Stadtrand errichten lassen. „Das Verfahren ist eine Herausforderung für uns alle“, sagt Gerichtssprecherin Gundula Fehns-Böer. Die Kosten für die für zunächst ein Jahr errichtete Außenstelle lägen im einstelligen Millionenbereich.

Innerhalb weniger Wochen wurde die Leichtbauhalle aus Metall auf einem städtischen Grundstück aufgestellt. Mit rund 1.300 Quadratmetern soll sie ausreichend Platz bieten für die 9 Angeklagten, 25 Verteidiger, 5 Richter und 2 Ergänzungsrichter. Sie springen ein, wenn einer der Richter ausfällt. 10 Sachverständige sollen bei der Suche nach der Wahrheit helfen sowie 242 Zeugen aussagen.

Die Anklageschrift umfasst nach den Worten von Gerichtssprecherin Fehns-Böer 617 Seiten, die Dokumente zu dem Prozess füllen derzeit 801 Aktenordner, für die eigens ein Raum geschaffen wurde. Für die Sicherheit während der bislang angesetzten 48 Verhandlungstage in der mit Stacheldraht umzäunten Halle sollen jeweils 40 bis 45 Wachtmeister sorgen.

Den Angeklagten in Frankfurt wirft die Generalbundesanwaltschaft vor, einer 2021 gegründeten terroristischen Vereinigung angehört zu haben. Deren Ziel sei es gewesen, „die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam zu beseitigen und durch eine eigene, in der Grundform bereits ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen“. Die Angehörigen der Vereinigung verbinde eine „tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Sie folgten einem Gemisch aus Verschwörungsmythen der sogenannten „Reichsbürger“- und Selbstverwalterszene sowie der vor allem aus Amerika kommenden QAnon-Ideologie, nach der geheime Eliten den Staat in ihre Gewalt gebracht haben.

Provisorisches Staatsoberhaupt der neuen Staatsform sollte der Frankfurter Geschäftsmann Prinz Reuß werden. Er soll sich der Vereinigung im Herbst 2021 angeschlossen und eine zentrale Rolle übernommen haben. So war laut Bundesanwaltschaft nach einem Umsturz vorgesehen, dass er mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs einen Friedensvertrag aushandeln sollte.

Der ehemalige Oberstleutnant der Bundeswehr Rüdiger v. P. muss sich in Frankfurt ebenfalls als Führungsmitglied der Vereinigung verantworten. Ihm wirft die Bundesanwaltschaft vor, an der Spitze des „militärischen Arms“ gestanden zu haben, der den gewaltsamen Umsturz mithilfe von Waffengewalt geplant habe.

Auch die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Berliner Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann wird in Frankfurt vor Gericht stehen. Sie habe ihre Zugangsrechte zum Reichstag in Berlin genutzt, um gemeinsam mit anderen Angeklagten die Liegenschaft für einen Angriff auszukundschaften. Malsack-Winkemann soll sich mit dem Aufbau neuer juristischer Strukturen beschäftigt haben.

Die Gruppe war im Dezember 2022 aufgeflogen. Damals durchsuchte die Polizei bei einer Razzia im „Reichsbürger“-Milieu etwa 150 Wohnungen. Die Angeklagten sollen laut Generalbundesanwalt für ihre Umsturzpläne rund eine halbe Million Euro eingesammelt und über ein „massives Waffenarsenal“ verfügt haben.