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Symbolische Würdigung

Fachstelle für Opfer sexualisierter Gewalt in kirchlichen Heimen zählt über 140 Fälle in Nordrhein-Westfalen

DÜSSELDORF – Knapp fünf Jahre nach ihrem Start hat die kirchlich-diakonische Fachstelle für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung eine erste Bilanz gezogen. Seit Anfang 2013 hätten sich 142 ehemalige Heimkinder und andere Opfer sexualisierter Gewalt an die in Düsseldorf ansässige Fachstelle gewandt, wie das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe mitteilte. Davon erhielten 139 Betroffene eine Geldzahlung von 5000 Euro in Anerkennung des erlittenen Leids.
Die Fachstelle war ins Leben gerufen worden, nachdem bekannt geworden war, dass Kinder und Jugendliche auch in evangelischen Heimen vor allem in den 1950er- und 1960er Jahren sexualisierte Gewalt erlitten haben. Die vom Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche getragene zentrale Anlaufstelle hatte daraufhin ihre Arbeit aufgenommen. Ein Schwerpunkt ist die Bearbeitung von Anträgen auf Anerkennung des Leids, das Betroffenen in Kirche und Diakonie widerfahren ist.
„Wir tragen als Kirche und Diakonie Verantwortung für institutionelles Versagen und das dadurch verursachte Leid – auch wenn es sich nicht juristisch oder personell festmachen lässt“, sagte Oberkirchenrätin Doris Damke von der westfälischen Landeskirche. Es gehe darum, die Opfer ernst zu nehmen, anzuerkennen und ihr Schicksal zu würdigen. „Die Geldzahlung hat Symbolcharakter.“ Hinzu kämen weitere Unterstützungen wie Therapien und Rentennachzahlungen.
Die Arbeit der Fachstelle ziele aber auch darauf ab, sexualisierter Gewalt im Bereich von Kirche und Diakonie vorzubeugen. „Einem Verdacht muss immer schnell und konsequent nachgegangen werden", betonte die Leiterin der Fachstelle, Birgit Pfeifer. Das mögliche Opfer müsse dabei unbedingt geschützt, ein Verdächtiger dürfe aber auch nicht vorschnell als Täter abgestempelt werden. Pfeifer führt unter anderem Fortbildungen zu dem Thema durch und arbeitet gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort an der Prävention.
„Eine abgestimmte Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure ist wesentliche Voraussetzung für den professionellen Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung“, sagte der Vorstand des Diakonischen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe, Christian Heine-Göttelmann. Zu diesen Akteuren gehörten unter anderem Ansprechpersonen der Kirchenkreise und Einrichtungen der Evangelischen Kirche von Westfalen. An sie können sich Betroffene oder auch Beschuldigte und Zeugen wenden. epd