Die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) will ihre Berichterstattung aus den Regionen im Münchner Umland neu aufstellen. Betriebsbedingte Kündigungen werde es dabei nicht geben, sagte René Hofmann, der zusammen mit Ulrike Heidenreich das Ressort München/Region/Bayern leitet, am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage. Es werde weiterhin Lokalgeschichten von überregionalem Interesse geben. Diese sollen dann aber nicht mehr wie bisher in den Landkreisausgaben erscheinen, sondern auf einer „größeren Bühne“ im München- oder Bayernteil der Printzeitung – und online dort, wo sie die höchste Reichweite hätten. Von einem Kahlschlag oder „Axt anlegen“ könne daher keine Rede sein, betonte Hofmann.
Die SZ-Chefredaktion hatte den rund 60 Beschäftigten am Donnerstag in einer außerordentlichen Konferenz mitgeteilt, dass die Außenbüros in den Landkreisen aufgegeben würden, teilte die Gewerkschaft Verdi Bayern am Donnerstagabend mit. Die bisherigen Landkreisausgaben in Freising/Erding, Fürstenfeldbruck, Dachau, Wolfratshausen und Ebersberg sollen eingestellt werden, Reportagen und Berichte aus diesen Berichtsgebieten sollen dann zusammen auf insgesamt zwei Seiten im München- und Bayernteil der Zeitung erscheinen. Lediglich die Starnberger Ausgabe und der Landkreis München behalten laut Verdi wegen der dort vergleichsweise stabilen Auflagen eine gewisse Eigenständigkeit.
Das bestätigte René Hofmann im Grundsatz: Die Landkreis-Ausgaben würden im Laufe des kommenden Jahres eingestellt, die Landkreis-Büros aufgegeben. Als Gründe nannte er vor allem wirtschaftliche Aspekte: sinkende Print-Abozahlen bei den Landkreis-Ausgaben und teure Büro-Mieten. Seit der Corona-Pandemie hätten mehr und mehr Redakteurinnen und Redakteure aus dem Home-Office berichtet. Man habe daher beschlossen, künftig auf Büros – mit entsprechend hohen Mieten im Münchner Umland – zu verzichten. Es werde auch weniger Artikel aus den Regionen geben, räumte er ein. Diese sollten dann aber größer aufbereitet werden für eine überregionale Leserschaft.
Die Südwestdeutsche Medien Holding GmbH betonte auf epd-Anfrage, dass auch künftig aus den Landkreisen um München berichtet werde. „Die SZ wird ihre Regionalberichterstattung nicht aufgeben. Anderslautende Behauptungen sind falsch.“ Man entwickle das Angebot aber angesichts der verändernden Geschäftsentwicklung kontinuierlich weiter und passe es den veränderten Lesegewohnheiten an. Ziel sei, die digitale Kompetenz im Großraum München und Bayern zu stärken, um bei den digitalen Abos noch kräftiger zu wachsen. Alle Print-Abonnenten in den Landkreisen rund um München sollen auch künftig neben dem München- und Bayernteil täglich zwei Seiten mit den besten Geschichten aus der Region erhalten.
Franz Kotteder, Landesvorsitzender der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union bei Verdi Bayern und selbst Mitglied der SZ-Redaktion, bezeichnete die Pläne als „schweren Schlag für den Lokaljournalismus und die Pressevielfalt in der Region um München“. Betroffen seien von den Maßnahmen festangestellte Redakteurinnen und Redakteure, Redaktionsassistenzen, Layouter, Blattplaner, Fotografen und freie Mitarbeitende. Luise Klemens, Landesbezirksleiterin von Verdi Bayern, sagte, dass die geplante Schließung der SZ-Regionalredaktionen ein „fatales Signal für die Medienvielfalt in Bayern“ sei. Qualitätsjournalismus vor Ort sei das beste Mittel gegen Desinformation und stärke den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Auch der Bayerische Journalisten-Verband (BJV) kritisierte am Donnerstagabend die Pläne und sprach von „drastischen Kürzungen“. Die Süddeutsche Zeitung müsse auch im Lokalen auf Vielfalt und Sichtbarkeit setzen, sagte der BJV-Vorsitzende Harald Stocker. Sollte sich die „Süddeutsche Zeitung“ aus den Regionen zurückziehen, könnte dies eine Abwärtsspirale mit Abo-Kündigungen auslösen, warnte Stocker. Eigenen Angaben zufolge hat die SZ mehr als 280.000 digitale Abonnenten und ist damit Spitzenreiter in Bayern. „Wir sind davon überzeugt, dass wir mit unseren digitalen Angeboten in den nächsten Jahren noch sehr viel mehr Abonnentinnen und Abonnenten erreichen werden“, teilte die Geschäftsführung des Süddeutschen Verlags mit. (01/3200/25.10.2024)