Für mehr Menschen weltweit ist inzwischen zuviel statt zuwenig Gewicht das Problem. Wissenschaftler sind vom Tempo der Entwicklung überrascht – und fordern Gegensteuern von Politik und Nahrungsmittelindustrie.
Mehr als eine Milliarde Menschen weltweit leben mit Fettleibigkeit. Das geht aus einer Studie der britischen Fachzeitschrift “Lancet” hervor, die am Freitag veröffentlicht wurde. An der Untersuchung hatte sich auch die Weltgesundheitsorganisation WHO beteiligt. Als Gesundheitsproblem ist Fettleibigkeit, die als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und bestimmte Krebsarten gilt, inzwischen wesentlich weiter verbreitet als Unterernährung.
Forscher äußerten sich bei der Vorstellung in Genf überrascht von der Schnelligkeit der Entwicklung. Frühere Projektionen hatten damit gerechnet, dass die Schwelle von einer Milliarde Adipositas-Betroffenen erst im Jahr 2030 erreicht wird. Die WHO sprach von einer “Adipositas-Epidemie”.
Der Studie zufolge hat sich die Häufigkeit von Fettleibigkeit bei Erwachsenen seit 1990 mehr als verdoppelt, bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 5 bis 19 Jahren sogar vervierfacht. Besonders hoch seien sowohl der Bevölkerungsanteil fettleibiger Menschen als auch das Wachstum dieser Gruppe in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Geeignete Gegenmaßnahmen sind aus Sicht der Wissenschaftlern vor allem Aufklärung, besserer Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Werbung für ungesunde Lebensmittel und Getränke, steuerpolitische Initiativen für gesündere Ernährung sowie eine entsprechende Kennzeichnung von Produkten.
Obwohl die Ursachen von Fettleibigkeit wie auch mögliche Schritte dagegen bekannt seien, fehle es noch an politischer Entschlossenheit. Ein 2022 von der Weltgesundheitsversammlung verabschiedeter Plan werde erst von 31 Staaten umgesetzt.
WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus erklärte, die Studie unterstreiche, wie wichtig Prävention und der richtige Umgang mit Adipositas vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter sei. Eine Rolle spielen nach seinen Worten Ernährung, körperliche Betätigung und angemessene Therapie. Um das Problem einzudämmen, müsse die Politik aktiv werden. Auch forderte er, Unternehmen für die gesundheitlichen Auswirkungen ihrer Produkte haftbar zu machen.