Antisemitismus, antimuslimische und autoritäre Einstellungen sowie rechtsextreme Haltungen haben in Berlin laut einer Untersuchung zugenommen. Im Rahmen des Berlin-Monitors 2023 hätten 15 Prozent der Befragten der Aussage zugestimmt, der Einfluss von Juden sei zu groß, hieß es am Montag bei der Vorstellung der Studie der Universität Leipzig. Im Jahr 2019 hatten dem lediglich drei Prozent zugestimmt. Der Anteil der Befragten, die die Anzahl der Muslime in Deutschland für zu hoch halten, stieg im gleichen Zeitraum von 29 Prozent auf 42 Prozent.
Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) äußerte sich besorgt über die Ergebnisse. Es werde deutlich, „dass Rassismus und Antisemitismus tief in der Berliner Bevölkerung verwurzelt sind“, sagte sie am Montag.
Laut der Studie ist seit 2021 in der Berliner Bevölkerung ein deutlicher Anstieg in der Zustimmung zu rechtsautoritären Aussagen und zu rechtsextremen Überzeugungen festzustellen. Der Anteil der Befragten mit manifester Verschwörungsmentalität stieg demnach zwischen 2019 und 2022 von 18 Prozent auf 31 Prozent. Etwa 19 Prozent der Befragten wünschten sich einen starken Führer. 2021 seien es noch zehn Prozent gewesen.
20 Prozent der Berlinerinnen und Berliner wiesen ein geschlossenes muslimfeindliches, rassistisches Denken auf, knapp die Hälfte der Bevölkerung (48 Prozent) lehne zumindest den Islam ab. Antimuslimische Einstellungen und antimuslimischer Rassismus seien getragen durch den Wunsch nach Erhalt einer Dominanzgesellschaft, Verschwörungstheorien und fehlende persönliche Kontakte, hieß es.
Der Projektleiter der Untersuchung, Oliver Decker, erklärte, die Ergebnisse machten deutlich, „dass die multiplen Krisen der Gegenwart auch in Berlin Herausforderungen für die Demokratie bereithalten“. Diese Herausforderungen schienen härter zu werden.
Der Leipziger Soziologe Gert Pickel äußerte die Vermutung, dass sich Antisemitismus und antimuslimische Einstellungen nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel noch verstärken werden. Ressentiments würden offenbar wieder gesellschaftsfähig. In den vergangenen Jahren sei die Zurückhaltung gesunken. „Man ist überzeugt, dass man solche Überzeugungen auch äußern darf“, sagte er mit Blick auf eine mögliche Dunkelziffer. Pickel sprach von einem „Schrumpfungsprozess“ der Legitimität von Demokratie.
Er bezeichnete antimuslimische Einstellungen sowie die Ablehnung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt als Brücken-Ideologien zu rechtsextremen Haltungen. Beide Einstellungen seien in Berlin weiter verbreitet als nur in Kreisen der extremen Rechten.
Der Koautor der Studie warb für eine „Berliner Identifikation“ von Bürgerinnen und Bürgern im Gegensatz zum Zugehörigkeitsgefühl zu einzelnen Gruppen, die abgewertet werden könnten. Auch müsse Demokratie verstärkt an Schulen erlernt werden.
Senatorin Kiziltepe betonte die Bedeutung von Projekten zur Förderung der Demokratie. Dafür seien die Mittel im Haushalt 2024/2025 von 15 Millionen Euro auf 30 Millionen Euro verdoppelt worden.