Die Rede ist vom Sekundentod: 65.000 Bundesbürger sterben jährlich, weil ihr Herz plötzlich die Arbeit einstellt. Viele Leben könnten gerettet werden – durch Ersthelfer. Stiftungen wollen sich dafür engagieren.
Sie wollen Deutschland “herzsicher” machen. In der Bundesrepublik erleiden jedes Jahr rund 120.000 Menschen einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Rund 65.000 Menschen verlieren ihr Leben durch einen plötzlichen Herztod. Das ist nach Ansicht der ADAC Stiftung (München), der Bertelsmann Stiftung (Gütersloh) und der Björn Steiger Stiftung (Winnenden) nicht hinnehmbar – und vermeidbar.
Ihr Ziel: Auf möglichst vielen Smartphones der Bundesbürger spezielle Apps einrichten, damit freiwillige Ersthelfer, die sich in der Nähe befinden, schnell geortet und alarmiert werden. Noch vor Eintreffen eines Rettungsdienstes könnten sie Erste Hilfe leisten und etwa Herzmassagen durchführen. Nach einem am Donnerstag veröffentlichten gemeinsamen Papier der Stiftungen wären dafür bundesweite technische Standards für die Apps und Finanzierungshilfen nötig. Ein Rechtsgutachten unterstreicht, dass die Finanzierung von Ersthelfersystemen schon jetzt im bestehenden Rechtsrahmen sichergestellt werden könnte.
Ein Herz-Kreislauf-Stillstand kann jeden treffen – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Fitnesszustand. Schätzungen zufolge könnten 10.000 Betroffene gerettet werden, wenn Ersthelfer unmittelbar eine Wiederbelebung durchführen, betonen Experten. Aber das passiert viel zu selten.
Michael Müller hatte das Glück: An einem Novemberabend joggte er am Bonner Rheinufer und sank plötzlich zu Boden. An den Aufprall kann er sich nicht erinnern. “Da war ich wohl schon weg.” Und was dann passierte, erfuhr er erst viel später. An dem beliebten Uferweg waren schnell viele Leute um ihn. Es war aber ein Medizinstudent, der genau wusste, was bis zum Eintreffen des Rettungswagens zu tun war. “Ohne seine Reanimation würde ich sicher nicht mehr leben oder so leben wie jetzt”, so Müller.
Auch die Deutsche Herzstiftung treibt das Thema Laien-Reanimation zusammen mit der Steiger Stiftung voran. “Wir müssen Deutschland dringend fit für die Wiederbelebung machen”, so das Ziel. Länder wie Norwegen oder Schweden hätten deutlich höhere Laien-Reanimationsraten von über 80 Prozent, betont der Herzspezialist Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Herzstiftung. Die Zielmarke: “Gemeinsam wollen wir erreichen, dass bei mindestens 80 Prozent aller Menschen, die einen beobachteten Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden, eine qualitativ hochwertige Laien-Reanimation durchgeführt wird.”
Zu den Hauptaufgaben der 1979 gegründeten Herzstiftung gehört es, Patienten über Herz-Kreislauf-Erkrankungen, deren Vorbeugung und Diagnose- und Therapiemöglichkeiten aufzuklären. Die Steiger Stiftung hat sich unter anderem beim Aufbau der Notruftelefonnetze an deutschen Straßen, der Durchsetzung der einheitlichen Notrufnummern 110 und 112 und dem Aufbau der Luftrettung engagiert. Derzeit will sie in Zusammenarbeit mit Städten und Gemeinden dazu beitragen, dass pro 1.000 Einwohner mindestens ein automatisierter externer Defibrillator zur Verfügung steht, der im Fall eines Herzstillstands auch von medizinisch nicht ausgebildeten Menschen bedient werden kann.
Bundesweit wollen beide Organisationen nicht nur informieren. Steiger strebt 75.000 Schulungen von Ersthelfern pro Jahr an – besonders in Schulen und Vereinen. Beide Stiftungen setzen sich für ein verpflichtendes Wiederbelebungstraining im Unterricht ein – und kritisieren die Zögerlichkeit mancher Kultusminister. Auch in Sportvereinen sollen die Vereinsmitglieder für die Wiederbelebung geschult werden.
Bei Herzstillstand nur abzuwarten, bis der Notarzt kommt, sei schließlich keine Option, betonen Voigtländer und der Präsident der Steiger Stiftung, Pierre-Enric Steiger. Obwohl die Wiederbelebung in den vier Schritten Prüfen, Rufen, Drücken und Schocken einfach und schnell zu erlernen sei, werde sie trotzdem viel zu selten angewendet.