Predigttext
1 Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. 2 Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Israeliten. 3 Er aber wird auftreten und sie weiden in der Kraft des Herrn und in der Hoheit des Namens des Herrn, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde. 4 Und er wird der Friede sein.
Das kleine Bethlehem, nicht mehr als ein Dorf, wird zum Ort der Hoffnung, zum Sehnsuchtsort.
„Gib mir ‘n kleines bisschen Sicherheit, in einer Welt, in der nichts sicher scheint“, singt die Gruppe Silbermond. Da ist die Sehnsucht nach etwas, das Bestand hat, das Halt gibt in allem Unsicheren dieser Welt, ja selbst wenn „die Welt den Verstand verliert“.
Sehnsucht nach einem Ort der Sicherheit
Auch der Prophet Micha nimmt in seiner Vision diese Sehnsucht auf nach einem Ort, der Sicherheit verheißt. Über 2500 Jahre ist es her, dass Micha davon geträumt hat. Eines Tages, das ist seine Hoffnung, werden wir sicher wohnen können. Dann werden Menschen diesen Ort erleben, an dem der Friede wohnt und es ein Bleiben gibt.
Die Realität der Menschen seiner Zeit ist allerdings eine ganz andere. Auch sie leben in mehr als unsicheren Zeiten – vor allen Dingen diejenigen, die es sowieso schon nicht leicht haben, die Armen und die am Rande der Gesellschaft leben. Die Truppen der Assyrer fallen ins Land ein und nehmen ihnen ihre Häuser weg. Und die eigenen Leute sind manchmal auch nicht besser. Die Herrschenden reißen sich Häuser und Ländereien unter den Nagel. Menschen werden vertrieben, verlieren ihr Obdach.
Wenn ich diese Worte lese, kommen mir sofort diejenigen in den Sinn, denen es heute so ergeht. Ich denke an die, die in unserer Gesellschaft kein Obdach haben. Mir kommen die Bilder der Flüchtenden an der Grenze zwischen Polen und Belarus in den Sinn, die dort gestrandet sind und in der Kälte ausharren, missbraucht von einem Machthaber, der über Leichen geht. Und niemand will sie haben. Oder die Flüchtenden an der Grenze zwischen Bosnien und Kroatien. Sie werden mit sogenannten „Pushbacks“ gegen alles Recht mit Gewalt wieder aus der EU hinausgeworfen.
Mir kommt das Bild des Außenministers aus dem kleinen Inselstaat Tuvalu im pazifischen Ozean in den Sinn. Er hält seine Rede vor der Weltklimakonferenz in Glasgow, bis über die Knie im Wasser stehend. Die Botschaft, die er damit aussendet, geht unter die Haut: Seht ihr es nicht? Mein Land versinkt in den Fluten. Schon heute wird Tuvalu bei Stürmen regelmäßig überflutet. Die Kinder, die heute auf den Inseln Tuvalus leben, werden wohl die letzte Generation sein, die dort leben kann. Für viele Menschen auf der Erde ist ihr sicheres Wohnen durch den Klimawandel in Frage gestellt.
Ein Wort der neuen Hoffnung
Bethlehem, Ort der Hoffnung, Sehnsuchtsort. „Und sie werden sicher wohnen…“ verspricht Gott durch den Propheten Micha. Seine Worte erfüllen sein Volk mit neuer Hoffnung. Sie haben eine Zukunft.
Vor langer Zeit kam einmal ein König aus dieser kleinen unbedeutenden Stadt. Er selbst war, als er zum König gesalbt wurde, so unscheinbar wie der Ort selbst. Doch David wurde zum bedeutendsten König in Israels Geschichte. Und er wurde zu so etwas wie dem Inbegriff der Hoffnung auf einen sicheren Ort zum Leben, auf einen Ort, an dem der Friede herrscht.
„Und du Bethlehem, die du klein bist, aus dir soll kommen, der in Israel Herr sei.“ Der da kommt, der bringt nicht nur Frieden, sondern er selbst „wird der Friede sein“.
Jahrhunderte später sieht sich Kaiser Augustus in Rom selbst als Herrscher des Römischen Friedens. Doch der gründet auf Kriegsgewalt und Unterdrückung. In einem Stall im kleinen Dorf Bethlehem wird ein Kind geboren. Die Menschen erzählen sich davon in Erinnerung an die Worte des Propheten. „Und du, Bethlehem … aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei… Und sie werden sicher wohnen. … Und er wird der Friede sein.“ Gott kommt zur Welt in diesem Dorf.
Unsere Sehnsucht nach Frieden und Sicherheit gewinnt genau hier Hand und Fuß. In der Sprache der Engel auf den Feldern von Bethlehem: „Friede auf Erden“!
Gott wird Mensch, damit wir menschlich bleiben
Weihnachten ist die Hoffnung, dass unsere Welt nicht so bleiben muss, wie sie ist. Gott ist Mensch geworden, damit wir menschlich sein können. Er nimmt bei uns Wohnung, damit wir sicher wohnen können. Bethlehem, Ort der Hoffnung, der Sehnsucht und des Friedens – Ort der Heiligen Nacht.