Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Einsatz des verstorbenen Publizisten Alfred Grosser für die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich gewürdigt. „Der Name Alfred Grosser bleibt für uns Deutsche für immer verbunden mit dem großen Werk der deutsch-französischen Aussöhnung – nach den Epochen der Feindschaft und der großen Kriege“, schreibt Steinmeier in einem am Donnerstag veröffentlichten Kondolenzschreiben an die Witwe Anne-Marie Jourcin.
Wohl kaum jemand habe in den vergangenen Jahrzehnten so kenntnisreich, leidenschaftlich und überzeugend für das gegenseitige Verständnis zwischen Frankreich und Deutschland gewirkt wie Grosser, schreibt Steinmeier. Der Bundespräsident hob Grossers „scharfen Verstand, seine immense Bildung und schließlich seine große Lebenserfahrung“ hervor. „Als Kind einer Emigrantenfamilie mit jüdischen Wurzeln, der die Flucht aus Nazi-Deutschland gelungen war, verfügte Ihr Mann über die Fähigkeit, sich selbst mit den Augen des Anderen zu sehen“, schrieb er. Dies habe seinen „unbestechlichen Blick als Politikwissenschaftler“ geschärft.
Der Politikwissenschaftler und Publizist Alfred Grosser ist am Mittwoch wenige Tage nach seinem 99. Geburtstag gestorben, wie sein Sohn Pierre Grosser am Donnerstag der Zeitung „Le Monde“ sagte. Der 1925 in Frankfurt am Main geborene Politologe setzte sich zeit seines Lebens für die deutsch-französische Verständigung ein. Er erhielt zahlreiche Ehrungen, darunter den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Grosser wurde 1925 in Frankfurt in eine bürgerlich-jüdische Familie geboren, die 1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nach Frankreich emigrierte. 1937 nahm er die französische Staatsangehörigkeit an. Von 1955 bis 1992 lehrte er als Professor an der Pariser Elitehochschule Sciences Po. Neben dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1975) wurde er unter anderem mit der Goethe-Medaille und dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet. Der Pro-Europäer trat als Redner auf evangelischen Kirchentagen und im Deutschen Bundestag auf.