Die ostwestfälische Stadt Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke) intensiviert die Aufklärung über die umstrittene Ahnenstätte Seelenfeld, einen um 1930 errichteten privaten Friedhof mit völkischen Wurzeln. Nach der Herausgabe einer wissenschaftlichen Publikation werde nun eine große Informationstafel an der Ahnenstätte errichtet, sagte Bürgermeister Dirk Breves (CDU) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Stele solle über das antisemitisch-völkische Weltbild der Gründer der Ahnenstätte wie auch über heutige Bezüge zur rechtsextremen Szene informieren.
Die Debatte um den Begräbnisplatz sei gerade jetzt wegen des Erstarkens antisemitischer Tendenzen in der Gesellschaft von besonderer Wichtigkeit, erklärte Breves. Neben der Info-Stele sollen auch Broschüren über die Ahnenstätte und weitere Orte erscheinen, die an die NS-Gewaltherrschaft erinnern, wie etwa die Alte Synagoge, jüdische Friedhöfe und ein Arbeitserziehungslager im Ortsteil Lahde. Durch breite Information wolle man erreichen, dass „völkische Protagonisten keine Lust mehr haben, nach Seelenfeld zu kommen“, sagte der Bürgermeister.
Auch die der Ahnenstätte benachbarte Ortschaft Seelenfeld wolle sich auf Grundlage der wissenschaftlichen Forschung intensiv mit der Geschichte der Anlage auseinandersetzen, sagte der Bürgermeister. Dafür sei es wichtig, dass die Historiker Thomas Lange und Karsten Wilke die vor Ort kursierende Legende widerlegt hätten, die Weigerung eines evangelischen Pfarrers, Konfessionslose auf dem kirchlichen Friedhof zu bestatten, habe zur Gründung der Ahnenstätte geführt. Vielmehr hätten örtliche Anhänger des Ex-Weltkriegsgenerals Erich Ludendorff (1865-1937) und seiner demokratiefeindlichen Ideologie die Errichtung betrieben.
Kritik übte der Bürgermeister am Ahnenstättenverein Niedersachsen, dem Träger des Privatfriedhofs in Seelenfeld. Anders als die bei Oldenburg gelegenen Ahnenstätten Conneforde und Hilligenloh versuche der Verein erst gar nicht, sich von völkischer Gesinnung zu distanzieren. „Offenbar wollen und können sie es nicht“, sagte Breves. Der Verein habe weder seine Archive für die Forscher geöffnet noch, obwohl angekündigt, seine eigene Sichtweise der Dinge öffentlich dargestellt.
Die Debatte um die Ahnenstätte hatte 2017 der Journalist Julian Feldmann ins Rollen gebracht, der den rechtsextremen Aktivisten Wolfram Schiedewitz, den Vorsitzenden des geschichtsrevisionistischen Vereins „Gedächtnisstätte“ aus Niedersachsen, auf einem Mitgliedertreffen des Ahnenstättenvereins ausgemacht hatte. Feldmann zufolge kamen 2010 auch militante Neonazis des inzwischen verbotenen Nationalen Widerstands Dortmund zu einer Veranstaltung auf der Ahnenstätte.