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Sprunghafter Anstieg antisemitischer Vorfälle in Berlin

Die Zahl antisemitischer Vorfälle hat in diesem Jahr in Berlin sprunghaft zugenommen. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias) dokumentierte im ersten Halbjahr 2024 insgesamt 1.383 antisemitische Vorfälle in der Bundeshauptstadt. Das waren im Durchschnitt sieben bis acht antisemitische Vorfälle pro Tag, wie Rias-Projektleiterin Julia Kopp am Donnerstag in Berlin sagte. Kopp sprach zudem von einer vermuteten hohen Dunkelziffer.

Damit seien in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bereits mehr Vorfälle
verzeichnet worden als im ganzen Jahr 2023 (1.270 Vorfälle). Auch sei es die höchste Zahl seit Beginn der Rias-Dokumentationen im Jahr 2015. Mit 715 Vorfällen machten dabei Online-Vorfälle wie antisemitische E-Mails oder Kommentare auf Social-Media-Plattformen knapp 52 Prozent der Gesamtvorfälle aus.

1.240 mal wurden laut Rias Fälle von sogenanntem verletzendem Verhalten registriert. Dazu zählten judenfeindliche Schmierereien und Sticker, antisemitische Anfeindungen und Beleidigungen von Angesicht zu Angesicht, entsprechende Online-Kommentare und Zuschriften sowie antiisraelische Versammlungen. Von diesen zählte Rias in dem Zeitraum 96.

Registriert wurden zudem zwei Fälle extremer Gewalt, 23 Angriffe auf Personen und 37 Sachbeschädigungen. In 21 Fällen wurden dabei Gedenkorte gezielt beschädigt. So hatten beispielsweise im Januar Unbekannte den arabischen Schriftzug „Es gibt keinen Gott außer Allah“ sowie einen Totenkopf auf das Mahnmal für die zerstörte Synagoge in Berlin-Spandau geschmiert.

Stark zugenommen hätten auch antisemitische Vorfälle an Bildungseinrichtungen (74), darunter 27 an Schulen. Die Art der Vorfälle nannte Kopp alarmierend: Jüdische oder israelische Kinder seien von Mitschülern geschlagen, bespuckt, bedroht und angefeindet worden.

Hochburgen der antisemitischen Vorfälle sind laut Rias die Berliner Bezirke Mitte (192), Neukölln (125) und Friedrichshain-Kreuzberg (122). Adressaten waren am häufigsten jüdische oder israelische Institutionen (657) sowie jüdisch und israelische Einzelpersonen (193). Die häufigsten Tatorte waren das Internet (715), die Straße (347) und der öffentliche Nahverkehr (80).

Die Zäsur sei der terroristische Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 gewesen, sagte Projektleiterin Kopp. Antisemitismus habe seitdem in Berlin „Hochkonjunktur“. Das habe massive Auswirkungen auf das Sicherheitsempfinden der jüdischen Community in Berlin.

Das bestätigte der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde Berlin, Sigmount Königsberg: „Der Bericht gibt wieder, was wir tagtäglich erleben.“ Es gebe praktisch kein offenes jüdisches Leben mehr ohne Polizeischutz. Ob es sich um das jüdische Puppentheater Bubales in Kreuzberg handele, um das jüdische Theaterschiff MS Goldberg oder um die Kinder- und Jugendmannschaften von Maccabi Berlin – „alle werden bedroht“, sagte Königsberg.

Die Geschäftsführerin der jüdischen Gemeinde Kahal Adass Jisroel, Anna Chernyak Segal, nannte diesen Zustand „inakzeptabel“: „Wir dürfen nicht zulassen, dass sich jüdisches Leben in Berlin nur noch hinter verschlossenen Türen abspielt.“