Von Konrad Ege (epd)
Auf den "Black Lives Matter"-Kundgebungen demonstrieren auch viele Geistliche – darunter Bischöfinnen und Bischöfe – gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA. Mitte Mai kamen Tausende Menschen vor dem Weißen Haus zum Gebet für Gerechtigkeit zusammen. Dennoch unterscheidet sich der Protest von der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre, damals angeführt von Martin Luther King und weiteren Pastoren. Der 46-jährige Afroamerikaner George Floyd war am 25. Mai in Minneapolis im US-Staat Minnesota von einem weißen Polizisten getötet worden, der sein Knie minutenlang auf den Hals des am Boden liegenden Mannes gedrückt hatte. Die Bilder lösten weltweite Kundgebungen aus.
Doch die Kirchen sind nicht mehr prägend bei den Protestkundgebungen. Die heutigen Proteste werden meist von jungen Menschen angeführt, dezentral, ohne nationale Sprecher. Die jungen Menschen haben zudem weniger Kontakt zu organisierter Religion als noch die Generation ihrer Eltern.
Selbst Evangelikale bekennen: Wir haben das Thema Rassismus nicht ernst genommen
Die weiße Christenheit ringt vielmehr mit ihrer eigenen Verantwortung beim Thema Rassismus: Das vom Evangelisten Billy Graham (1918-2018) mitbegründete "Christianity Today", ein führendes Magazin für Evangelikale und Protestanten in den USA, machte das in einem Editorial zum Thema. Weiße Evangelikale müssten bekennen, dass sie "die Sünde des Rassismus" nicht ernst genug genommen hätten, heißt es darin. Bei Floyds Tod gehe es nicht nur um Polizeibrutalität, sondern um eine US-Gesellschaft, die die Unterdrückung von Afro-Amerikanern "immer wieder erlaubt" habe. Evangelikale seien Teil dieser Gesellschaft, und "manchmal waren wir die Letzten beim Kampf gegen Rassenungerechtigkeit".
Die meisten schwarzen und weißen Christen in den USA sind in ihren Gottesdiensten jeweils weitgehend unter sich. Laut einer Erhebung des "Pew Research Center" vor mehreren Jahren sind bei den Lutheranern und den Methodisten weit mehr als 90 Prozent der Mitglieder weiß.
Die Vereinigte Methodistische Kirche hat Gemeinden nun eingeladen, sich intensiv mit dem Thema Rassismus zu befassen. Es gehe nicht um persönliche Vorurteile, hieß es. Rassismus sei vielmehr geprägt durch die Vorurteile von Gruppen, "die von institutioneller Macht unterstützt werden".
Die erste schwarze Bischöfin in der Evangelischen Lutherischen Kirche in Amerika, Patricia Davenport, lobte den Beschluss ihrer Kirche gegen Rassismus. Sie betonte jedoch, Worte seien nicht genug: "Wann werden wir unser Bekenntnis leben?"
Das Editorial in "Christianity Today" sieht eine theologische Verantwortung vieler weißer Kirchen. Diese hätten die Rechtfertigung geliefert für die Institution Sklaverei. Nach dem Ende der Sklaverei 1865 hätten die Kirchen an der Lehre von der weißen Überlegenheit festgehalten. Das weiße Amerika habe aus der Unterdrückung der Schwarzen enormen wirtschaftlichen Nutzen gezogen.
Die größte protestantische Kirche in den USA ist der evangelikale und politisch konservative 14,5 Millionen Mitglieder zählende Südliche Baptistenverband. Der Verband wurde 1845 im Streit über die Sklaverei gegründet. Die Baptisten in den Südstaaten der USA betonten damals, Sklaverei sei biblisch begründet.
Konservative Kirchenvertreter im Zwiespalt
Der heutige Kirchenpräsident J.D. Greear überraschte unlängst mit der Aussage, Baptisten müssten aus Sicht des Evangeliums die Grundaussage der "Black Lives Matter"-Bewegung unterstützen, dass schwarzes Leben wirklich zählt. Für ihn bedeute das allerdings nicht, dass er "Black Lives Matter"-Forderungen wie Kürzungen der Mittel für die Polizei für angemessen halte, betonte Greear.
Konservative Kirchenvertreter befinden sich zurzeit in einem Spagat. Weiße Evangelikale sind die Kernwähler von US-Präsident Donald Trump. Die weißen Protestanten haben ihn mehrheitlich ins Amt gewählt. Trump legt Wert auf eine starke Staatsmacht. Bei einer Gesprächsrunde im texanischen Dallas Anfang Juni warnte er vor "radikalen Versuchen", die Polizei zu schwächen: "Wenn jemand wirklich böse sei, muss man dem mit wirklicher Macht begegnen."
Offenbar mit Blick auf die Ausschreitungen nach dem Tod Floyds sagte Trump, es sei eine "Schande", was passiert sei. Bei Umfragen äußerte dagegen eine deutliche Mehrheit der US-Amerikaner Zustimmung zu den Protesten. Bei Floyds Begräbnis in Houston und bei einem Gedenkgottesdienst in North Carolina brachten Geistliche ihre Hoffnung auf grundlegende Veränderungen im Land zum Ausdruck.