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Soziologe beklagt Radikalisierung am rechten Rand der Gesellschaft

Der Soziologe Steffen Mau von der Berliner Humboldt-Universität äußert sich besorgt über eine Radikalisierung des gesellschaftlich rechten Randes. Das Phänomen ziehe sich „bis in die Mitte hinein“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er halte das Bild einer gespaltenen Gesellschaft jedoch für überzogen. Es gebe nach wie vor eine Zentrierung um die Mitte herum.

Mit Sorge beobachtet der Soziologe auch eine Radikalisierung von Protestformen. Vor dem Hintergrund von „Veränderungszumutungen“ reagierten Menschen häufig übertrieben, sagte Mau mit Blick etwa auf die Blockade einer Fähre mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an Bord durch Bauern Anfang Januar. Manchen Menschen erscheine es als legitime Widerstandsgeste, so auf Politiker zuzugehen oder öffentliche Einrichtungen in Mitleidenschaft zu ziehen. „Das ist eine generelle Entwicklung von Entzivilisierung der Konfliktaustragung, die ich mit Sorge beobachte“, sagte Mau.

Grund für derartige Entwicklungen könnte eine unsichere wirtschaftliche Lage sein, in der sich Verteilungskämpfe intensivierten. Überdies seien die Bindungen an Parteien und andere große Organisationen wie Gewerkschaften oder Kirchen schwächer geworden.

Die Menschen würden „stärker von Stimmungen und einer Politik der Emotionen angesprochen“. Damit bewege sich die Wählerschaft stärker entlang von Aufregerthemen.
Das sei für Parteien sehr gefährlich, weil sie ständig von neuen Themen überrascht würden und andererseits einen Anreiz hätten, ihre Anhänger über emotionale Ansprache zu mobilisieren.

Mau empfiehlt dagegen, Debatten zu versachlichen und nicht auf jedes Thema „anzuspringen“. Aber es gebe offenbar eine Verlockung, aus Kulturkampfthemen politisches Kapital zu schlagen.

Globalisierung, Digitalisierung, Veränderungen der Arbeitswelt und Fragen von Migration gäben den Menschen das Gefühl, dass der Boden, auf dem sie stehen, brüchiger geworden sei. Viele Menschen ließen sich von Populisten ansprechen, weil deren Slogan laute: „Die Welt soll so bleiben, wie sie ist, und du sollst so bleiben, wie du bist.“ Forderungen nach Anpassung an die sich verändernde Welt würden dagegen oft abgelehnt.

Vor dem Hintergrund des Erstarkens rechtsextremer Kräfte sprach Mau von „einer komplizierten Phase der Anfechtungen der Demokratie“. Aber es gebe eine breite gesellschaftliche Mitte und ein großes Spektrum, das eine hohe Bindung an die liberalen Prinzipien und das Grundgesetz habe.