Der Sozialverband VdK Niedersachsen-Bremen hat im vergangenen Jahr vor den Sozialgerichten 13,5 Millionen Euro für seine Mitglieder erstritten. Viel zu oft bewilligten Kassen und Behörden Anträge auf Erwerbsminderung oder eine Reha-Maßnahme erst, wenn sich Juristen einschalten, kritisierte der Landesvorsitzende Friedrich Stubbe im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) .
epd: Herr Stubbe, um welche Punkte streiten Sie vor den Sozialgerichten?
Friedrich Stubbe: Besonders häufig beraten unsere Juristen zu Erwerbsminderungsrente und Anerkennung sowie Durchsetzung einer Schwerbehinderung. Im Jahr 2023 haben die Juristen des VdK Niedersachsen-Bremen 15.175 Verfahren betreut, darunter waren fast 5.000 Widersprüche und 1.000 Klagen. Eine erfolgreich durchgesetzte Erwerbsminderungsrente kann mehrere Tausend Euro Nachzahlungen ergeben. Wenn eine Reha-Maßnahme oder die Erhöhung des Grads der Behinderung positiv entschieden wurden, wird dafür zwar kein Geldwert festgelegt. Für die Betroffenen bedeutet der positive Bescheid aber eine große Erleichterung.
epd: Allein im vergangenen Jahr hat Ihr Verband in Niedersachsen und Bremen 13,5 Millionen Euro erstritten. Wie erklären Sie sich die hohe Summe?
Stubbe: Die hohen Nachzahlungen ergeben sich häufig durch die Länge der Verfahren. Ein Verfahren zur Anerkennung einer Erwerbsminderungsrente dauert nicht selten ein bis zwei Jahre. Wenn dann jemand beispielsweise 1.000 Euro pro Monat zugesprochen bekommt, ergibt das schnell über 20.000 Euro. Das klingt erst einmal viel. Man muss aber bedenken, dass dieses Geld den Menschen vorab jahrelang für ihren Lebensunterhalt gefehlt hat. Zudem sind das keine Almosen, sondern die Menschen haben einen Rechtsanspruch. Das Geld steht ihnen also per Gesetz zu, wird aber im ersten Schritt von Behörden und Ämtern verwehrt. Durch Krankheit oder Behinderung sind die meisten unserer Mitglieder dringend auf dieses Geld angewiesen.
epd: Warum müssen Sie überhaupt klagen? Sind die Gesetze nicht eindeutig oder wo hakt es bei den Kassen und Behörden?
Stubbe: In unserer Beratungspraxis machen wir leider immer häufiger die Erfahrung, dass Rentenansprüche, eine Behinderung oder ein dringend benötigtes Hilfsmittel von der Kasse erst dann bewilligt werden, wenn wir auf juristischem Weg gegen den Ablehnungsbescheid vorgehen. Die erste Ablehnung verunsichert die Menschen sehr. Den langen Weg mit Widerspruchs- oder gar Klageverfahren trauen sie sich häufig nicht zu. Verständlich: Denn wer zu uns kommt, hat meist schon einiges durchgemacht im Behördendschungel und viele sind zudem gesundheitlich stark beeinträchtigt.
Eine Beschleunigung der Anträge wäre etwa mit mehr Personal bei den Behörden und Kassen möglich. Auch könnten detaillierte, aussagekräftige Arztberichte und Gutachten dabei helfen, dass die gesundheitliche Situation der Betroffenen schneller erkannt wird und einem Antrag auf Schwerbehinderung oder Erwerbsminderungsrente auch zügiger stattgegeben wird.