Der anhaltende Krieg in der Ukraine macht auch vor Kulturdenkmälern nicht Halt. Nun ist ein Gotteshaus beschädigt worden, das zum Weltkulturerbe der Unesco zählt.
Die Sophienkathedrale in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zählt zu den wichtigsten Bauwerken christlicher Kultur im Osten Europas. Nach der “Taufe der Kiewer Rus” im Jahr 988 wurde sie, quasi als Wiege des Christentums in Russland, Anfang des 11. Jahrhunderts begonnen und im Lauf der Jahrhunderte mehrfach zerstört, umgebaut und erweitert. Namenspatronin ist Sophia als (griechisches) Sinnbild der Weisheit. Seit 1990 gehört die Sophienkathedrale zum Weltkulturerbe der Unesco.
Weil sich die getrennten Kirchen – russische und ukrainische Orthodoxie und mit Rom verbundene Ostkirche des byzantinischen Ritus – nicht über Eigentum und Zuständigkeit einigen konnten, erklärte die ukrainische Regierung den Baukomplex – wie schon in der Sowjetzeit – erneut zum Museum. Allerdings fand dort 2018 jene Synode statt, bei der sich zwei vormals getrennte ukrainische orthodoxe Kirchen zur autokephalen (selbstständigen und also vom Moskauer Patriarchat unabhängigen) ukrainisch-orthodoxen Kirche erklärten und vereinigten. Im Januar 2019 wurde hier in Anwesenheit des damaligen Staatspräsidenten Petro Poroschenko die Weihnachtsliturgie gefeiert.
Die Bischofskirche, errichtet nach byzantinischem Vorbild und besonders dem der Hagia Sophia in Konstantinopel, war im Mittelalter Mittelpunkt des kulturellen und politischen Lebens des altrussischen Volkes. Hier fand auch die Inthronisation der Kiewer Fürsten statt. Ihre Ausmaße – sieben Kuppeln, fünf Schiffe, 37 Meter Länge, 55 Meter Breite und bis zu 29 Meter Höhe – waren für Zeitgenossen außerordentlich.
Das Zentrum des russischen Christentums verlagerte sich wie das politische Zentrum nach dem Mongolen-Einfall im 13. Jahrhundert über Nowgorod nach Moskau. Allerdings ist Kiew – wie für die Serben das Amselfeld im heutigen Kosovo – als Stammland nach wie vor heilige Erde. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Kiewer Sophienkathedrale durch neuerliche Einfälle der Krimtataren immer weiter zerstört.
Ein erster Wiederaufbau erfolgte um 1630. Nach einem Großbrand 1697 ließ Zar Peter I. die Kirche im ukrainischen Barockstil aus Stein vollkommen neu errichten. Der dominante Glockenturm (1699-1707) wurde 1851 nochmals erhöht und ist nun 76 Meter hoch. In sowjetischer Zeit wurde der Kirchenkomplex 1934 geschlossen und zum Museum gemacht.
Im Inneren der Kirche befinden sich heute rund 3.000 Quadratmeter Fresken und etwa 260 Quadratmeter Mosaiken. Besonders auffällig: ein übergroßes Mosaik der “Betenden Gottesmutter” in der Apsis und ein allherrschender Christus (“Pantokrator”) in der Hauptkuppel. In der Kathedrale, einst Bestattungsort der Kiewer Fürsten, hat sich auch der Sarg von Jaroslaw dem Weisen (gest. 1054) erhalten.