Erstmals stellt das Berliner Kupferstichkabinett eine größtenteils noch unbekannte Sammlung von Werken aus, die dem Künstler-Kosmos Blauer Reiter zuzurechnen sind. Auch Reiterinnen sind vertreten.
Franz Marcs weltberühmtes Blau blitzt nur vereinzelt durch. Eine Vielzahl der im Berliner Kupferstichkabinett gezeigten Arbeiten sind schwarz-weiß: Lithographien, Drucke oder Radierungen. Und doch sind diese teils bislang unbekannten Werke der Künstlergruppe Blauer Reiter die “Ursuppe, die Hexenküche der Moderne”, wie Kurator Andreas Schalhorn, es bei der Vorstellung der Schau am Donnerstag zusammenfasst.
Mit der Ausstellung “Kosmos Blauer Reiter – Von Kandinsky bis Campendonk” komme erstmals die künstlerische und stilistische Vielfalt des Künstlernetzwerks rund um Wassily Kandinsky und FRanz Marc nach Berlin, betont Schalhorn sichtlich stolz. Etwa 100 Arbeiten sind ab Samstag bis zum 15. Juni im Kupferstichkabinett zu sehen. Die Auswahl reicht von Aquarellen August Mackes über Holzschnitte und Radierungen Kandinskys bis hin zu den Illustrationen der in Berlin herausgegebenen Zeitschrift “Der Sturm” von Gabriele Münter, Oskar Kokoschka und Heinrich Campendonk.
Der Blaue Reiter war Wegbereiter der Moderne. Die lose Künstlergruppe wurde 1911 in München von Marc und Kandinsky als Redaktionsgemeinschaft gegründet. Aber auch Münter, Kandinskys zeitweilige Lebensgefährtin, und ihr Wohnort Murnau als naturverbundener oberbayerischer Rückzugsort spielten eine maßgebliche Rolle. Gemeinsam suchten sie eine Rückbesinnung auf das Unverdorbene, Religiöse, das Vergeistigte. So faszinierten Kandinsky religiöse Votivbilder. Einige sind in der Schau ausgestellt. Es sei ein Gegenprojekt zur lahmenden Münchner Kunstszene gewesen, erklärt Schalhorn. Dabei sei der Blaue Reiter kein etabliertes Ensemble gewesen, sondern ein diffuses Zusammentreffen unterschiedlicher Persönlichkeiten.
Am Anfang stand die Idee einen jährlichen Almanach mit verschiedenen Künstlern herauszubringen. Es blieb bei einer Publikation 1912 und zwei Ausstellungen. Die zweite stand unter dem Titel “Schwarz-Weiss”. Einige nun in Berlin zu sehende Arbeiten waren bereits damals in München 1912 ausgestellt. Beteiligt an den Ausstellungen waren neben Macke als weitere Hauptvertreter des Blauen Reiters expressionistische Künstler wie Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde, Robert Delaunay oder Natalja Gontscharowa. Delaunays Lithographie des Pariser Eiffelturms in der Schau ist laut Schalhorn einzigartig.
Nicht nur Murnau und das beschauliche Münchner Schwabing spielten für die Künstlergruppe eine entscheidende Rolle. Berlin war mit der Galerie und gleichnamigen Zeitschrift “Der Sturm” Plattform und Vermarktungsort für die Aktivitäten des Blauen Reiters. “Ohne Marc hätte Kandinsky theoretisieren können, wie er wollte”, kommentiert Schalhorn. Marc und seine Frau Maria waren es, so Schalhorn weiter, welche die Aktivitäten der Künstler vom Land in die Stadt – nach Berlin brachten.
Holzschnitte von Heinrich Campendonk illustrieren in der Ausstellung die Zeitschrift “Der Sturm” und die Arbeit des Verlegers Herwarth Walden. Walden sein großer Förderer der Arbeit des Blauen Reiters gewesen, berichtet Schalhorn. Sein Engagement reichte über das jähe Ende der Künstlergruppe mit Beginn des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 hinaus. Kandinsky musste Deutschland verlassen, Macke und Marc fielen 1914 und 1916 im Krieg.
Campendonk als jüngstes Mitglied des Blauen Reiters trug den Geist der Gruppe in die Zeit nach dem Krieg hinein. Während bei Marc die Menschen in den Hintergrund traten und die Tiere als reine Wesen zu fantastischen Sinnbildern wurden, verband Campendonk Mensch und Tier zu poetischen Bildern.