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Seit 20 Jahren verkörpert Maximilian Brückner den “Boandlkramer”

Das Stück ist legendär: Mit Kirschgeist und Kartenspiel überlistet der “Brandner Kaspar” den Tod, ihm mehr Lebensjahre zu gewähren. Nun feiert es im Volkstheater sein 20-Jahr-Jubiläum. Immer dabei: Maximilian Brückner.

“Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben” war Kult am Münchner Residenztheater. Nachdem die Protagonisten starben, folgte die Absetzung. Am 7. April 2005 kam das bayerische Stück am Münchner Volkstheater in einer Neuinszenierung von Christian Stückl heraus. Maximilian Brückner (46) spielt seit 20 Jahren den “Boandlkramer”. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit ihm darüber, wie die Rolle sein Leben begleitet.

Frage: Herr Brückner, “es ist Dir aufgesetzet”, sagt der “Boandlkramer” zum Brandner, einem Büchsenmacher, um ihm klarzumachen, es sei Zeit zum Sterben. War es ihnen aufgesetzet, den Tod zu spielen?

Antwort: Das weiß ich nicht. Aber ehrlich, es ist schon ein bisschen erschreckend, dass es nun 20 Jahre sind. Seither ist viel passiert. Damals war ich 26, jetzt bin ich 46 und habe drei Kinder. Vielleicht ist es mir ja doch aufgesetzet gewesen, denn der Boandlkramer ist zu einer Rolle meines Lebens geworden. Nach wie vor spiele ich sie unglaublich gern – mit der gleichen Freude, wie als wir angefangen haben. Aber natürlich spielt man sie, je älter man wird, auch anders.

Frage: Wie hat sich Ihr Spiel verändert?

Antwort: Es ist ernster geworden. Am Anfang habe ich den Kasperl gegeben. Jetzt ist der Tod bei seinem ersten Auftritt wesentlich gefährlicher und gruseliger. Das mag daran liegen, dass man selber dem Sterben näher kommt. Ich hoffe zwar, noch ein paar Jahre zu haben. Aber man denkt anders darüber nach. Meine zwei Töchter (acht und fünf Jahre) haben das Stück im Oberammergauer Passionsspielhaus, wo wir im Sommer zu Gast sind, gesehen. Da kommt es nicht so düster rüber. Jetzt spielen sie morgens daheim den Boandlkramer nach. Da geht die knarzende Holztür auf und die zwei schleichen mit jenen Bewegungen herein, wie ich sie auf der Bühne mache.

Frage: Die berühmte Inszenierung am Münchner Residenztheater wurde abgesetzt, weil die Protagonisten starben. Intendant Dieter Dorn soll erklärt haben, Christian Stückl könne das Stück jetzt am Volkstheater machen. Der wehrte sich, dann kam es anders. Wie lief das?

Antwort: Ich konnte den Ärger von Christian Stückl gut verstehen. Dorn hat ihm das Stück hingeschmissen wie einen Happen für einen Hund. Am Volkstheater spielten wir damals den Räuber Kneißl. Als wir überlegten, was wir Neues angehen könnten, kam der Gedanke: Egal was war, lasst uns den Brandner machen. Ob Zufall oder Bestimmung, einen Tag, nachdem wir uns 2005 entschlossen hatten, das Stück zu spielen, ist Toni Berger, der langjährige Boandlkramer, gestorben. Vielleicht hat er noch gewartet, dass es weitergeht.

Frage: Toni Berger war der personifizierte Tod. Wie schwer ist es, sich davon abzusetzen?

Antwort: Das war nicht so schwer, weil ich viel jünger war. Ich habe den Berger selber noch auf der Bühne erlebt. Und zu Hause habe ich eine Platte vom Brandner Kaspar gefunden: original unterzeichnet von Berger und Gustl Bayrhammer, der den Portner Petrus darstellte. Als mir meine Frau zu Weihnachten einen Plattenspieler schenkte, haben wir die gleich angehört: Die Aufführung ist so schön, weil sie anders ist und trotzdem toll. Als ich die Rolle angenommen habe, haben mich viele gefragt: Warum machst du das? Da kannst du doch nur scheitern. Aber ich habe versucht, es komplett anders anzugehen. Man muss sich halt trauen, was Neues zu schaffen.

Frage: Sie kommen als zerrupfter und barfüßiger Boandlkramer in schwarzen Klamotten daher. Wie kam’s?

Antwort: Mit dem Kostüm haben wir rumprobiert. Ich dachte, ein alter Zylinder, wie ihn auch Totengräber haben, wäre gut. Dann wurden mir die schwarzen Streifen auf die Hand gemalt. Damit wirkt es, als hätte ich furchterregende, 30 Zentimeter lange Finger und so spielt man dann auch. Ab der 20. Vorstellung fiel mir ein, dass der Boandl, wenn er aus Frust heult, seinen Zehenkas isst, also das, was sich zwischen den Zehen absetzt. Ich fand das lustig für diese Figur.

Frage: Ist das eine Lieblingsszene?

Antwort: Nein. Ich mag alle Szenen. Mit dem Alexander Duda habe ich außerdem einen kongenialen Partner als Brandner Kaspar. Wir gehen oft von der Bühne und sagen: Das haben wir noch nie so gespielt. Das Publikum ist immer wieder anders, man selber und auch das Ensemble. Mein Bruder Florian hat in dem Stück fast schon alles gespielt: Den Wilderer, den Jager, auch den Erzengel Michael in einem viel zu großen Gewand. Letztes Mal hat er in der Himmelsszene die Rolle der heiligen Afra übernommen. Da konnten wir uns vor Lachen bald nicht mehr halten.

Frage: Macht es so viel Spaß, weil das Stück eine Art Familientreffen ist?

Antwort: Der Brandner ist ein Teil meines Lebens geworden. Eine Menge Freunde spielen mit und von meinen Geschwistern neben dem Florian noch der Dominikus und die Susanne. Wir schauen halt, wie lang wir es halten können. Von uns aus am liebsten ewig.

Frage: Denken Sie inzwischen anders über den Tod?

Antwort: Wenn ich spiele, reflektiere ich nicht. Ich merke aber, wie die Leute reagieren. Das Stück nimmt ihnen die Angst vor dem Tod. Wenn wir es zur Oktoberfestzeit aufführen und danach mit den Vorstellungsbesuchern auf die Wiesn gehen, ist es mir mehrmals passiert, dass Menschen zu mir kommen. Auch wenn ich dann keine Maske mehr trage, fragen sie: Kann ich mit dir einen Schnaps trinken? Ja, freilich, sage ich. Und dann erzählen die Leute, sie hätten Krebs und müssten bald sterben; deshalb wollten sie mit dem Boandlkramer noch mal anstoßen. Da hockst du da und weinst. Diese Begegnung tut den Leuten wahnsinnig gut. Und das ist wunderschön.

Frage: Wenn der Boandlkramer bei Ihnen in der Tür stünde, hätten Sie Karten und Kirschgeist griffbereit?

Antwort: Nein. Dann geh ich mit, dann ist es eben so. Obwohl – als Gaudi und Reminiszenz an das, was ich auf Erden gemacht habe, würde ich doch gern mit dem Tod einen Schnaps trinken und ein wenig karteln.

Frage: Wie schaut das Paradies aus?

Antwort: Das Paradies kann man sich nicht wirklich vorstellen. Für einen Abend ist so ein bayerischer Himmel wunderbar zum Anschauen. Es wäre jedoch naiv zu glauben, dass dies wirklich so kommt. Aber schön wäre es schon.