Predigttext am Ewigkeitssonntag: Matthäus 25, 1-13
1 Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. 2 Aber fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. (…) 6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! (…) 8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen. 9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; (…) 10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. (…) 13 Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde. (in Auswahl)
Das Gleichnis von den törichten und klugen Jungfrauen ist eine harte Nuss. Ich habe das erst begriffen durch die Frage eines achtjährigen Mädchens im Kindergottesdienst. Ich erzählte die Geschichte und hatte meinen letzten Satz kaum beendet, als mir das Mädchen ins Wort fiel: „Das ist gemein, dass er die nicht reinlässt, nur weil sie etwas später kommen.“ Und nach kurzer Pause fügte sie hinzu: „Und warum haben die klugen Frauen nicht geteilt, wie Sankt Martin? Auch gemein. Eine blöde Geschichte.“
Bildwelt des Gleichnisses ist ärgerlich
Ich kannte das Gleichnis seit Kindertagen, hatte die Darstellung der Jungfrauen auf den Portalen gotischer Kirchen in Strasbourg, Erfurt, Basel oder auch im Dom von Minden vielfach bewundert. Für mich war an dieser Geschichte lange alles klar. Aber die Fragen des Mädchens trafen ins Schwarze: Die Bildwelt des Gleichnisses ist ärgerlich. Junge Frauen, die mit Fackeln in der Hand auf einen Mann warten. Er hat alleinige Macht und entscheidet über Wohl und Wehe aller anderen. Er reagiert mit Härte, verweigert sich jeglichen Bitten. Die Hälfte der Frauen bleibt ausgegrenzt – wegen einer Kleinigkeit – und wird dann auch noch mit dem Stempel der „Dummen“ versehen.
Wie verträgt sich dieses Gleichnis des Evangelisten Matthäus mit anderen Sätzen in seinem Evangelium? „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken?“ (11, 28). Wieso verschließt der Bräutigam die Tür für die, die langsamer oder sorgloser sind? „Sorget euch nicht um euer Leben“ – auch diese Aufforderung findet sich bei Matthäus? (6, 25). Warum werden die Frauen belohnt, die sich weigern zu teilen, die egoistisch und hartherzig sind?
Eine blöde Geschichte – sagte das Mädchen.
Eine trostlose, eine erschreckende Geschichte, lese ich in manchen wissenschaftlichen Kommentaren. Eine Geschichte, die beschreibt, wie Menschen in unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden, weil sie nicht so schnell, so fleißig und anpassungsfähig sind.
Die beschreibt, wie hart es ist, wenn wir in Schubladen einteilen: hier die guten Flüchtlinge, die sich anpassen und einfügen, dort die schlechten, die vielleicht erst mal nur müde und matt sind und sich kaum noch aufraffen können nach den Strapazen der Flucht.
Das Gleichnis führt uns unsere Welt vor Augen: Wie lächerlich, wie zufällig, wie wenig nachvollziehbar sind oft die Gründe, die den einen die Tür öffnen und die anderen ins Unheil stürzen.
Gestern noch war die Grenze auf, gestern noch kam der Onkel, die Schwester, die Ehefrau hinein, heute ist da eine Mauer, ein Stacheldraht, ein neues Gesetz. Kein Erbarmen.
Nein, der Bräutigam steht nicht für den wiederkehrenden Jesus.
Er steht für all das, was Leben, Freude, Gemeinschaft, Inklusion verhindert. Für die Türen, die wir täglich neu verschließen. Auch die angeblich so klugen Jungfrauen dienen nicht als Vorbild. Sie sind fixiert auf ihr Wohlergehen, sie haben Angst zu teilen.
Das Gleichnis von der geschlossenen Tür beschreibt unsere Welt und mich selbst auch. Es ist so hart und gemein, wie unsere Welt hart und gemein ist zu denen, die im Schatten stehen.
Wachsam sein wohin Jesus uns locken will
Es macht mich nachdenklich und traurig.
„Seid wach“, lese ich am Ende.
Die Härte unserer Welt und auch meines Lebensstiles zu fühlen, ist das Erste.
Wachsam zu sein, wohin Jesus uns locken will, damit sich Türen für mehr Menschen öffnen, das ist das Zweite.
Gott will ein möglichst heilvolles Leben für alle. Wir sind gerufen, Türen aufzuschließen, wo immer es geht – durch unsere Gesetze, unsere Solidarität, durch unser Tun und Handeln, unser Hoffen und Beten, unser Mitleiden und Mitfühlen.