Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, warnt vor einer zunehmenden Bedrohung jüdischen Lebens in Deutschland. Die Bedrohung habe zugenommen, „denn der Antisemitismus im Land hat insgesamt zugenommen“, sagte Schuster der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Dabei sei das Problem des Antisemitismus auch unter muslimischen Einwanderern „offensichtlich groß“. Die gefährlichste Form des Judenhasses in Deutschland sei aber der rechtsextreme Antisemitismus. Grünen-Parteichefin Ricarda Lang sprach sich für ein gesellschaftliches Bündnis gegen Antisemitismus aus.
Schuster sagte, arabischstämmige Menschen, die nach Deutschland kämen, hätten in den Schulen ihrer Heimat jeden Tag israelfeindliche Zerrbilder gelehrt bekommen. Sie hörten auch zu Hause nichts anderes. „Diesen Menschen fällt es wohl erst einmal schwer, sich von dieser Sicht auf Israel und die Juden zu lösen.“ Umso wichtiger sei es, „dass man hier auf die Menschen einwirkt, schon in den Integrationskursen“.
Er habe bereits nach der Migrationsbewegung im Jahr 2015 mit viel mehr antisemitischen Vorfällen gerechnet, sagte der Zentralratspräsident. Dass man diese Erfahrung nicht gemacht habe, habe ihn positiv überrascht. „Es fällt aber auf, dass wir im Moment erheblich mehr Zulauf zu den palästinensischen Demonstrationen in Deutschland haben.“
Auch die hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr warnte vor einem Erstarken des Antisemitismus. „Wir haben den Antisemitismus in der eigenen Gesellschaft einschließlich der Menschen mit Migrationsgeschichte nicht ernst genug genommen“, sagte die Theologin der „Nordwest-Zeitung“ (Samstag). Allerdings gehe es keineswegs nur um einen „eingewanderten Antisemitismus“. Auf antisemitische Gerüchte und Stereotypen treffe man nicht nur in rechtsradikalen Szenen, sondern auch in bürgerlichen Wohnzimmern.
Die Grünen-Parteivorsitzende Lang erklärte: „Wir sollten uns davor hüten, alle Muslime unter Generalverdacht zu stellen.“ Es gebe viele Stimmen aus der islamischen Community, die sich klar gegen die Hamas positioniert hätten, sagte sie der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Sie hätte sich aber ein „klareres Statement vonseiten der Islamverbände gewünscht“. Sportvereine, Unternehmerverbände, Gewerkschaften und Kirchen müssten jetzt gemeinsam aufstehen.
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel häufen sich in Deutschland antisemitische Vorfälle. In Berlin gab es einen versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge. Bei Demonstrationen von Palästinensern und ihren Unterstützern wurden Polizisten mit Feuerwerkskörpern beschossen und zum Teil verletzt.
Zentralratspräsident Schuster äußerte sich auch besorgt über die hohen Umfragewerte für die AfD. Die Partei trage „antisemitische Denkmuster in die Mitte der Gesellschaft“, sagte er. Eine aktuelle Forsa-Umfrage zeige, dass fast 80 Prozent ihrer Anhänger die Aussage ablehnten, Deutschland habe eine besondere Verpflichtung gegenüber Israel, sagte Schuster. „Hier trifft sich die Geisteshaltung der AfD mit der Ideologie der Hamas und ihren Unterstützern auf deutschen Straßen.“