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Schülerzeitungen heute – Pflichtübung statt demokratischer Stimme

Die Zahl der Schülerzeitungen geht aus Sicht von Fachleuten kaum zurück. Ihr Zweck aber verändere sich – und das gehe zu Lasten kritischer Berichterstattung.

Die Zahl der Schülerzeitungen bleibt nach Einschätzung von Bildungsexperten in Deutschland stabil – die Themenschwerpunkte aber hätten sich verschoben: “Schülerzeitungen befassen sich heute nur selten mit Politik”, sagt Cornelia Eigler, Projektleiterin der Landesinformationsstelle Schülerzeitung (LiSZ) am Institut für neue Medien in Mecklenburg-Vorpommern. Für Schülerinnen und Schüler zähle heute eher der Spaßfaktor. “Redaktionen schreiben meistens über ihren Schulalltag”, sagt Eigler. “An tiefgründigen Themen fehlt es oft.”

Die Anzahl an Schülerzeitungen in den Bundesländern ist nirgends dokumentiert. Die Redaktionsmitglieder wechseln häufig. Neue Zeitungen kommen; andere verschwinden, weil Redaktionsmitglieder die Schule verlassen.

Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass die Zahlen insgesamt konstant bleiben. Während des Corona-Lockdowns etwa sanken die Einsendungen an das LiSZ für den jährlichen Schülerzeitungswettbewerb in Mecklenburg-Vorpommern zwar um die Hälfte. Seitdem gingen sie aber wieder nach oben. 2023 lagen sie mit knapp 30 ungefähr auf dem Niveau vor der Pandemie.

“Wir nehmen kein großes Zeitungssterben wahr”, sagt auch Tobias Westphal, Geschäftsführender Bundesvorstand Jugendpresse Deutschland. Vereinzelte Zeitungen erschienen nur noch online. Seit der Pandemie hätten zusätzlich auch Schulpodcasts an Beliebtheit gewonnen. Die Schülerzeitung in gedruckter Form bleibe aber in den meisten Fällen das wichtigste Medium. “Gedruckte Zeitungen durchblättern zu können, gibt vielen das Gefühl, etwas geschafft zu haben”, sagt Westphal.

Allerdings gibt es zwischen den Schulformen erhebliche Unterschiede: Die Zahl der Wettbewerbsteilnehmer aus Gymnasien ging laut LiSZ nach oben. Von Grundschulen dagegen kämen immer weniger Einsendungen. “Wir versuchen momentan über eine Anrufaktion, Grundschulen zur Teilnahme an unserem nächsten Wettbewerb zu motivieren”, sagt Eigler. Für dieses Jahr sehe es nicht gut aus. “Die Schulen sagen uns, sie hätten keine Kapazitäten.” Im vergangenen Jahr lag die Zahl der Einreichungen von Grundschulen bei drei.

Lehrerinnen und Lehrer hätten inzwischen oft keine Zeit mehr, die Zeitungen zu betreuen. “Schulen bieten Schülerzeitungen heute oft als Projektarbeit oder als Wahlfach an”, sagt Eigler. Die Interessen der Redaktionen hätten sich in den vergangenen Jahren dadurch verschoben. “Schülerzeitungen sind oft nicht mehr ein demokratisches Mittel der politischen Teilnahme, sondern eher eine Unterrichtsform”, so Eigler. “Texte zum Weltgeschehen fehlen leider oft.”

An manchen Schulen stoßen Schülerinnen und Schüler neue Projekte mit an: Die Weibelfeldschule Dreieich in Hessen etwa hatte bis zum Schuljahr 2023/24 lediglich eine Schulzeitung; Herausgeber war der Schulleiter. Nachdem die betreuende Lehrkraft die Schule verließ, musste die Zeitung eingestellt werden. Zum neuen Schuljahr 2024/25 fand sich eine AG und Herausgebergemeinschaft aus Schülerinnen und Schülern zusammen, die eine eigene, “‘richtige’ Schüler:innenzeitung” organisieren wollten, sagt Markus Kurbel, Organisator der AGs an der Weibelfeldschule Dreieich. Die Teilnahme ist freiwillig. Zum Halbjahreszeugnis soll eine erste Ausgabe erscheinen.

Betreut wird die Schülerzeitung von einer Lehrerin. Für die wöchentlichen Sitzungen von 90 Minuten bekommt sie 60 Minuten angerechnet. “Lehrer können diese Arbeit oft nicht leisten”, sagt Eigler. Für die engere Arbeit mit Schülerinnen und Schüler sei oft keine Zeit. Die Ursprungsidee von Schülerzeitungen, so Eigler, bliebe damit auf der Strecke.