Er wendet sich gegen Boykottaufrufe: der Schriftsteller Etgar Keret. Auch deswegen, weil denen, die solchen Aufrufen folgten, etwas entgehe. Außerdem blickt er auf seine eigene Lebensgeschichte.
Der Schriftsteller Etgar Keret hat Boykottaufrufe scharf kritisiert. “Schwarze Listen sind barbarisch”, sagte er im Interview der “Jüdischen Allgemeinen” (Donnerstag). “Das gab es bei den Nazis, Stalin und Mao. Es hat nichts mit Kultur zu tun, jemandem nicht mehr zuzuhören, nur weil er Jude, Russe oder irgendetwas anderes ist.” Boykottaufrufe in Richtung Israel seien schade, weil Unterzeichnende dann nicht mitbekämen, “welche liberalen Stimmen es in Israel gibt”.
Keret verwies auf den Terrorangriff der Hamas auf Israel: “Am 7. Oktober 2023 gab es das grausame Massaker der Hamas, einer radikal-islamischen Terrororganisation, aber viele Menschen haben nicht verstanden, dass es auch andere Palästinenser gibt.” Seine eigene Aufgabe als Künstler sei es, Menschen zu verwirren und ihnen zu zeigen, wie komplex die Realität sei. “Das wird jedoch schwieriger, weil die Leute immer weniger zuhören.”
Auf die Frage, ob er Bücher von Schriftstellern lese, die Israelis boykottieren, sagte Keret: “Meine Eltern waren Schoa-Überlebende. Richard Wagner war ihr Lieblingskomponist. Eines Tages hörten wir zu Hause Wagner. Eine Nachbarin sagte zu meiner Mutter: ‘Frau Keret, die Nazis haben diese Musik geliebt.’ Meine Mutter antwortete: ‘Die Nazis liebten auch Apfelstrudel. Soll ich deswegen keinen mehr essen?'” Es gebe viele Künstler, die in ihrem Werk sehr sensibel seien, aber nicht in ihrem eigenen Leben.