Über viele Jahrzehnte war Jane Goodall eines der prominentesten Gesichter für den internationalen Tier- und Naturschutz. Bis zuletzt hat sich die Britin für den Erhalt von Primaten und der Natur eingesetzt.
Schimpansen waren ihr Leben. Geboren 1934 in London, haben Jane Goodall schon als Kind die Menschenaffen fasziniert, wollte sie Primatologin werden. Bis zum Schluss ist sie ihrer Berufung treu geblieben. Jetzt ist die britische Primatenforscherin und Naturschutzikone im Alter von 91 Jahren auf einer Lesereise in Kalifornien gestorben, wie das Jane-Goodall-Institute am Mittwoch in London mitteilte.
Ohne Geld und universitäre Ausbildung hat sich Goodall in jungen Jahren aufgemacht, Menschenaffen in Tansania zu beobachten. 1957 reiste sie erstmals nach Afrika, führte später im Gombe National Park in Tansania Verhaltensbeobachtungen an Schimpansen durch. Über 45 Jahre verfolgte sie dort ihre berühmteste Studie über das Leben von Schimpansen. Ihre Entdeckung, dass die Primaten Werkzeuge bei der Nahrungssuche verwenden, war eine wissenschaftliche Sensation. Werkzeuggebrauch war zuvor nur bei Menschen bekannt. Ebenso räumte sie auch mit dem Irrglauben auf, Schimpansen seien friedliche Vegetarier, und zeigte, dass sie sogar Kriege gegen andere Affengruppen führen. Dennoch erntete die Britin in der von Männern dominierten Primatenforschung zunächst heftige Kritik.
Ihr wurde Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen, weil sie den von ihr beobachteten Tieren Namen gab statt der zuvor üblichen Nummern. Sie war überzeugt, “dass wir Menschen nicht die Einzigen mit Persönlichkeit sind, mit Verstand und Emotionen”. 1965 promovierte sie ohne jegliches Hochschulstudium mit einer Ausnahmegenehmigung an der Universität Cambridge.
Mit ihren Verhaltensbeobachtungen trug die Ethologin maßgeblich zu einem besseren Verständnis der nächsten Verwandten des Menschen bei. “Das Mindeste, was ich tun kann, ist, für die zu sprechen, die es nicht selbst tun können”, sagte sie.
1977 gründete sie das inzwischen in mehr als 20 Ländern vertretene “Institute for Wildlife Research, Education and Conservation”, 1993 umbenannt in “Jane Goodall Institute”. In Deutschland ist es in München ansässig. 1986 verwandelte sie sich auch zur Umweltaktivistin und begann, sich verstärkt für den Schutz des Lebensraums der Tiere und für sanften Tourismus einzusetzen. Um nachfolgende Generationen für ihr Anliegen zu sensibilisieren, rief sie 1991 die globale ökologische Jugendbewegung “Roots & Shoots” ins Leben, die durch Projektarbeit Respekt und Mitgefühl für alle Lebewesen vermitteln will.
Bis zu ihrem Tod war Goodall die berühmteste Primatenforscherin des 20. Jahrhunderts, eine Ikone der Umweltschutzbewegung und UN-Friedensbotschafterin. Unzählige Titel, Würden, Ehrungen und Auszeichnungen wurden ihr zuteil. So bekam sie 2006 für ihren Einsatz für die Großen Menschenaffen und ihren Lebensraum in Afrika die Jubiläumsmedaille der Weltkulturorganisation Unesco. Zuletzt erhielt sie 2021 den Templeton-Preis. Auf die nach ihr gestaltete und 2022 herausgegebenen Barbie-Puppe samt Nachbildung ihres Lieblingsschimpansen David Greybeard hätte sie indes verzichten können, wie sie bekannte.
Es war nicht nur Goodalls erstaunlicher Lebensweg, der dazu beigetragen hat, dass sie wie ein Popstar der Umweltbewegung gefeiert wurde. Mit ihrer sanften, aber bestimmenden Art erreichte die noch im hohen Alter mädchenhaft wirkende Britin die Herzen der Menschen rund um den Globus. Goodall mischte sich ein, meldete sich zu Wort – etwa, als es 2012 um ein Patent auf genetisch veränderte Schimpansen ging. Die DNA der Tiere wurde verändert, damit ihr Immunsystem dem des Menschen ähnlicher sein soll, um an ihnen Medikamente zu testen – für Goodall eine “schockierende Vorstellung”. Dass die intelligenteste Spezies Mensch auf der Erde so viel Unheil anrichtet, bekümmerte sie.
So engagiert sich Goodall bis zuletzt für den Umweltschutz einsetzte, so müde sei sie auch, bekannte sie im Sommer 2023 in einem “Zeit”-Interview. Auf die Frage, ob sie nach ihrem Tod lieber im Paradies oder auf der Erde wiedergeboren werden wolle, antwortete sie: “Im Moment würde ich das Paradies wählen, weil ich wirklich, wirklich müde bin.” Wenn ihr im Jenseits aber eine Stimme erklären würde, die Welt brauche sie, “dann käme ich zurück. Was bliebe mir schon übrig?”