Die von Reichenauer Künstlern vor Jahrhunderten geschaffenen Prachthandschriften kehren erstmals an den Bodensee zurück. Sie stehen im Zentrum einer großen kultur-historischen Ausstellung in Konstanz. Die Schau zeigt die Mönche auch als Wissenschaftler und Denker von europäischem Rang.
Kultur, Kunst und Geschichte der Klosterinsel Reichenau stehen im Zentrum der baden-württembergischen Landesausstellung “Welterbe des Mittelalters – 1.300 Jahre Klosterinsel Reichenau”. Die Ausstellung ist ab Samstag im Archäologischen Landesmuseum in Konstanz zu sehen. Eröffnet wird sie am Freitag von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).
Von internationalen Leihgebern kommen rund 250 Exponate: Kostbarkeiten, die die Klosterkultur des Mittelalters lebendig werden lassen. Im Zentrum stehen auf der Reichenau entstandene prachtvolle Bibelhandschriften, die heute zum Weltdokumentenerbe der Unesco zählen. “Die mittelalterliche Gesellschaft wurde vom christlichen Glauben durchdrungen. Die für Kaiser und Bischöfe auf der Reichenau geschaffenen Prachthandschriften geben von dieser gemeinsamen Grundlage Zeugnis”, sagte der Direktor des Badischen Landesmuseums Eckart Köhne.
Ausstellungsmacher Olaf Siart sagte, das Kloster habe einen wichtigen Knotenpunkt in einem europäischen Netzwerk gebildet. “Das Reichenauer Verbrüderungsbuch, in dem sich Besucher, Pilger und Freunde des Klosters eintrugen, enthält 38.000 Namen und Kontakte – und war damit so etwas wie das Internet des Mittelalters.”
Das Kloster Reichenau stieg nach seiner Gründung im Jahr 724 in einer einzigartigen Verbindung von Religion, Wissenschaft, Kunst und Machtpolitik im Frühmittelalter zu europäischer Bedeutung auf. Die Ausstellung zeigt neben den Prachthandschriften beispielsweise Glasmalereien, Goldschmiedekunst und Elfenbeinschnitzereien – aber auch Zeugnisse für das mittelalterliche Alltagsleben.
“Wenn wir nicht wissen, woher wir kommen, wissen wir nicht, wohin wir uns entwickeln werden”, sagte Kulturstaatssekretär Arne Braun (Grüne) bei der Vorstellung der Schau am Mittwoch.
Zugleich ist die Insel selbst Teil der Ausstellung und des damit verbundenen Jubiläumsjahrs. Die Münsterschatzkammer wurde neu gestaltet und präsentiert Reliquien und religiöse Kunstwerke. Bei Sonderführungen sind die drei romanischen Inselkirchen und die neu angelegten Klostergärten zu erleben. Mittels einer kostenfreien App begegnen Besuchern historische Figuren, die Gäste sehen digitale Rekonstruktionen der Klostergebäude und können Expertenvideos abrufen. Die Bestsellerautorin Tanja Kinkel hat für die App mehrere Hörspiel-Dialoge verfasst.