Auf der Suche nach einem besseren Leben war und ist für viele Menschen Amerika das gelobte Land. Das Stuttgarter Haus der Geschichte geht den “American Dreams” auf den Grund.
Ein dunkelbraunes, hölzernes Kopfkissen, so groß wie ein Ziegelstein, zeugt von Askese: Conrad Beissel reiste 1720 nach Amerika, um in Pennsylvania eine “Kolonie als heiliges Experiment” zu gründen, erläutert Franziska Dunkel. Zuvor war der Heidelberger Bäckergeselle wegen seines radikalen, pietistischen Glaubensauslegung aus der Innung ausgeschlossen worden.
Wie viele andere suchte er sein Glück jenseits des Atlantiks. So unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich sind die Biografien der Migranten. Davon erzählt die neue Sonderausstellung “American Dreams – Ein neues Leben in den USA” im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart.
Beissel hatte einen klaren Plan: Er etablierte in der Neuen Welt für seine Glaubensgenossen die Siedlung “Ephrata”. “Dort bereiteten sich die Menschen auf die Wiederkehr Christi vor”, erläutert Mitkuratorin Dunkel. Sie schliefen nur wenige Stunden, beteten, lebten meist zölibatär und sangen viel. Ein ausgestelltes Liederbuch des Klosters beinhaltet auch ein Lied von Sister Phoebe, die als Christiane Lässle in Essingen bei Aalen geboren wurde und als eine der ersten Komponistinnen in den Staaten gilt.
Die Schau läuft bis 28. Juli und zeigt rund 200 Exponate auf 500 Quadratmetern. Das Raumdesign verweist auf die “Stars and Stripes” der US-amerikanischen Flagge: “Weiße Sterne stehen für Träume, rote Streifen für Biografien”, erklärt Dunkel. 32 Geschichten schildern die Beweggründe, warum Menschen aus dem deutschen Südwesten ihre Heimat in den vergangenen drei Jahrhunderten verließen.
Bundesweit seien sieben Millionen nach Amerika ausgewandert, darunter ein bis zwei Millionen aus Südwestdeutschland, weiß Ausstellungsleiter Rainer Schimpf. Heute verwiesen 13 bis 14 Prozent der US-Amerikaner auf eine deutsche Abstammung, also etwa jeder Siebte.
Während viele der Siedler aus Armut auswanderten, kehrte Klaus Liebhold wie Beissel aus religiösen Gründen der Heimat den Rücken: Der Sohn eines jüdischen Tabakfabrikanten aus Heidelberg gelangte 1941 mit dem überfüllten, typhusverseuchten Frachtschiff “Navemar” von Sevilla nach Ellis Island vor New York City. Von 1943-45 war er in Deutschland als Dolmetscher in Diensten der US-Air Force, wie seine ausgestellte, khakifarbene Uniformjacke belegt. Zurück in den USA arbeitete er für militärische Think-Tanks und nannte zwei Häuser im noblen kalifornischen Santa Barbara sein eigen. Glücklich sei er aber nicht gewesen, so Dunkel: Er habe es nicht verwunden, dass ihn sein bester Schulfreund zur Nazizeit verraten hatte.
Etwa hundert Jahre zuvor löste die Revolution von 1848 eine Migrationswelle aus, berichtet Schimpf. Auch den badischen Radikaldemokraten Friedrich Hecker zog es damals über den großen Teich. Ein vermeintlich unberührtes Land suchte 1854 die aus der Nähe von Ulm stammende Elisabeth Fink-Henle, die mit ihrer Familie in Minnesota im Gebiet der Dakota siedelte. Die Natives rächten sich wegen des Landraubs, im Dakota-Krieg starben 17 ihrer Verwandten. Elisabeth überlebte, wie ein Foto von 1904 zeigt.
Ihre Chance suchte auch Anna Nill. Mit Erfolg: Die 1888 emigrierte Kommunistin aus Mössingen wurde in den Staaten mit Immobilien reich und übergab ihr Vermögen armen Kindern ihrer Heimatstadt – die sich zu freuen scheinen, wie auf einem Foto aus den 1950er Jahren zu sehen ist. Goldnuggets wie das ausgestellte, das wie eine große Zahnkrone aussieht, verschafften dem verarmten Leidringer Bauernsohn Andreas Huonker ein Millionenvermögen.